Der raue Ton des Schnees: „One Day in the Life of Noah Piugattuk“ von Zacharias Kunuk
Alles beginnt mit einem leisen Rauschen und Flüstern und den Weiten einer Schneelandschaft. Einige Iglus und Hunde sind zu sehen. Wir befinden uns im Jahr 1961 im Inuit-Camp Kapuivik in Kanada. An diesem Punkt setzt „One Day in the Life of Noah Piugattuk” ein. Der Film erzählt die auf Tatsachen beruhende Geschichte des Inuit Noah... Weiterlesen
In der Mitte zwischen unserem Schweigen: „Born in Evin“ von Maryam Zaree
Wie fühlt sich dieser Ort an, dort in der Mitte zwischen deinem und meinem Schweigen? Nimmst du mich mit? Erlaubst du mir zu verstehen, was dir passiert ist? Maryam Zaree sucht in ihrem Dokumentarfilm Born in Evin nach ihrer Geschichte, nach der Geschichte ihrer Mutter und der eines Traumas einer ganzen Generation geflüchteter Iraner*innen im... Weiterlesen
„Du rennst vor Sachen weg, ich geh gar nicht erst hin“: „Nackte Tiere“ von Melanie Waelde
Von Gefühlen geleitet und trotz Zusammenhalt in manchen Momenten doch so fern: in „Nackte Tiere“ – dem Langfilmdebüt von Regisseurin Melanie Waelde – versucht eine fünfköpfige Teenagerclique ihren Alltag zu meistern. Dabei stößt die Gruppe oft an ihre sozialen Grenzen. Was auf dem Papier wie ein zuhauf gesehener Coming-of-Age-Film klingt, beeindruckt mit einem überragenden technischen... Weiterlesen
Das Kollektiv tanzt: „Bacurau“ von Kleber Mendonca Filho
Die Frage danach, wie in den herrschenden Verhältnissen ein gutes Zusammenleben möglich ist, ist älter als das Kino selbst. Dennoch wird diese Frage auch im Kino immer wieder verhandelt und hat in den letzten zwanzig Jahren eine Menge dystopischer Zukunftsvisionen hervorgebracht. In Bacurau, der in einem Brasilien der nahen Zukunft spielt, sind die Dinge in... Weiterlesen
Ästhetische Fetische: „Twentieth Century“ von Matthew Rankin
Stellen Sie sich vor, Sie laufen durch die Haustür, und siehe da, Vater sitzt auf dem Boden und isst Toilettenpapier. Ein Bild, das man sich heutzutage besser vorstellen kann als je zuvor. Hinzu kommt der skrupellos ermordete Stofftier-Papagei. Zunächst eine Überforderung und die altbekannte Frage: „Ist das Kunst oder kann das weg?“ Matthew Rankin erzählt... Weiterlesen
Keine Liebe: „Lovemobil“ von Elke Magarete Lehrenkrauss
Wohnwagen. An jeder Ausfahrt einer. B494. Bunte Neonlichter in der Nacht. Frauen in den Fahrerhäuschen, hinter Scheiben, wie Tiere im Zoo. Ich habe mich immer gefragt, was Herzen aus Neonröhren oder Lichterketten an Bordellen sollen. Was dort verkauft wird, ist doch keine Liebe. Die Symbolik erschließt sich mir nicht. Und wieso eigentlich Lovemobil? Die Realität... Weiterlesen
NARBEN AUF KÖRPER UND SEELE: „Dylda“ von Kantemir Balagov
Wäre da nicht das Tuch, das ihr hellblondes, beinahe weißes Haar verdeckt. Wäre da nicht die schmutzige Schürze, die korsettartig die aufgeschichteten Klamotten über ihrem schmalen, großen Körper zusammenhält. Wäre da nicht das gequälte Röcheln, das selbst im größten Schmerz noch für Leben steht. Wäre all das nicht, man könnte meinen, Iya wäre der realen... Weiterlesen
ICH SUCHE NACH MÜLLMETAPHERN: „Orphea“ von Alexander Kluge und Khavn
Mit einem gewissen Vorwissen über Alexander Kluge und in Erwartung auf Khvan habe ich feine Vermutungen und eine grobe Richtung: Vergangenheit wird auf Gegenwart treffen. Alt auf jung. Intellekt auf Rock-Oper. So setze ich mich also an diesem Abend vor „Orphea“. Der Film startet überraschend gefällig: gezeichnete Augen und Augenhöhlen von Skeletten. Eine lebendige, junge... Weiterlesen
Offene Jacke. Ein Dialog über „Deerskin“ von Quentin Dupieux
Wir alle brauchen manchmal einen Schutz vor der Außenwelt. Eine Hülle, hinter der wir uns in den verletzlichsten Momenten verstecken können. Für Georges, der kürzlich von seiner Frau verlassen wurde und sich nun inmitten einer depressiven Episode wiederfindet, ist diese Hülle etwas Greifbares: Eine knapp 8000 Euro teure Jacke aus reinem Hirschleder. Als Georges (Jean... Weiterlesen
Ohnmächtige Schreie: „Soleils Noirs“ von Julien Elie
Der Film spielt in Mexiko und zeigt den ruhelosen, tristen und grausamen Alltag der betroffenen Angehörigen, die ihre Familienmitglieder vermissen, betrauern und nach Antworten suchen. Viele wissen nicht, was mit ihren eigenen Kindern, Geschwistern oder Eltern geschehen ist, außer dass sie nahezu unauffindbar sind. Es ist wie das Suchen einer Stecknadel ohne Heuhaufen. Jeder tut... Weiterlesen
Offenheit, Liebe, Intimität und Akzeptanz: „Liebe viele“ von Vera Drude
„Liebe viele“ (2019) von Vera Drude ist ein Dokumentarfilm über Polyamorie: Menschen leben ihre Liebe nicht nur in exklusiven Zweierbeziehungen. Ohne einen Erzähler aus dem Off, ohne eingesprochenen Text und ohne eigens inszenierte Interviews wird auf respektvolle Art und Weise ein Thema dokumentiert, für das große Teile der Gesellschaft leider immer noch nur abschätzige Worte... Weiterlesen
Blaulicht auf Asphalt: „Midnight Family“ von Luke Lorentzen
Die Familie Ochoa sitzt zusammen – und schweigt, so wie viele Familien, an Abendbrottischen oder auf ihren heimischen Wohnzimmergarnituren. Nur dass die Ochoas nicht vor dem Fernseher sitzen, sondern in der Fahrerkabine ihres Krankenwagens, die Gesichter von stummem Blaulicht erleuchtet. Es ist mitten in der Nacht und sie warten; auf einen Funkspruch, den sie heimlich... Weiterlesen