Der süßlich-faule Geruch von Pfirsichen und Schweiß, das müde Einschlafen in der Sonne und der auf der Haut klebende Staub der katalonischen Landschaft, das ist der Alltag der Familie Solé. Seit Jahrzehnten kultiviert sie das Land und pflegt ihre Pfirsichplantage, Feigenbäume und Gemüseäcker. Die Familie arbeitet gemeinsam, lacht gemeinsam, weint gemeinsam, liebt gemeinsam. Als den Solés klar wird, dass sie ihre heißgeliebte Erde aufgrund einer vertraglichen Formalität verlassen müssen, entscheiden sie sich, noch einen letzten Sommer zu ernten. Ein letzter Sommer in Alcarràs, wie es danach weitergeht, weiß niemand so recht.

Patriarch Rogelio Solé versucht, die Vertreibung aus dem Eigenheim noch zu verhindern, mit ungeschickten Worten und geschenkten Feigen. Doch Großgrundbesitzer Pinyol lässt nicht mit sich reden, es sollen Solarpanels anstelle der Pfirsiche auf das Grundstück. Rogelios Sohn Quimet hält noch an dem Irrglauben fest, dass er den Einzug der Solarpanels verhindern kann, wenn er einfach nur eine gute Ernte einfährt.  Er kann nicht akzeptieren, dass er seine Existenz, sein Lebenswerk und sein Zuhause verlieren wird und macht einfach weiter wie zuvor – Veränderung kann und will er nicht wahrhaben, auch, wenn er seiner Familie damit schadet. Seiner Frau Dolors und seinen Schwestern ist allerdings früh klar, dass Modernisierung und Bulldozer mit rasendem Tempo näher rücken, und versuchen, auf ihre eigene Weise damit umzugehen. Die Solé-Kinder, der eigentliche Kern der Familie, wissen am wenigsten, wie sie der gesamten Situation begegnen sollen. Die gewohnten Spielorte verschwinden allmählich, und sie merken, dass sich etwas gravierend verändert. Doch als Kind oder Teenager mit solch schwerwiegenden und traumatischen Ereignissen umzugehen, ist schwierig. Nicht zu verstehen, warum die Cousins auf einmal nicht mehr zum Spielen kommen können oder warum die vertrauten Verstecke einfach unter den Ketten der Planierraupe verschwinden, obwohl man selbst noch dabei ist, die Welt zu verstehen – das nagt an einem. Träume zerplatzen in der sengenden Sonne und die familiären Konflikte schwelen und bersten, gleich einer nässenden Wunde.

Die grundlegende Tragik, die mit einer Vertreibung und dem Ende eines Traumes einhergeht, wird jedoch durch die umwerfende Bildgewalt, die Carla Simón hier produziert, teils überschattet. Die grünende Landschaft Kataloniens, die obstbeladenen Weiher und der leuchtende Pool der Familie, die reichen Farbkontraste und die immensen Landschaften, all das wirkt wie ein Sonnenbrand in der Hitze Spaniens und erdrückt einen fast. Weiterhin legt die Regisseurin auch ein politisches Engagement an den Tag und kritisiert die harte Arbeit, die unfairen Preise und die harten Arbeitsbedingungen der modernen Landwirtschaft. Allerdings kommen auch hier einige Charaktere und Thematiken zu kurz, der afrikanische Tagelöhner Baltazar und seine zwei namenslosen Gefährten zum Beispiel, die sinnbildlich für eine Menge von unfair bezahlten und behandelten Erntehelfer*innen stehen, doch, genau wie in der Realität, auch im Film kaum beachtet werden. Der ästhetische Feinsinn, den Simón hier an das Tageslicht legt, lässt hoffen, dass man in der nahen Zukunft weitere beeindruckende Werke von ihr sehen werden wird. Die Dynamiken des Familiendramas beherrscht Simón auf jeden Fall schon gut und beweist, dass sie viel Verständnis dafür besitzt, komplexe innerfamiliäre Beziehungen mit Zärtlichkeit und Feingefühl zu zeigen.

Laura May Woods