Digitaler Film ist seit langer Zeit derart zum Grundmedium des bewegten Bildes geworden, dass im Alltag kaum noch darüber nachgedacht wird. Smartphones haben nicht erst seit TikTok das Video, den Film für sich entdeckt, und auch im Kino sehen wir fast ausschließlich digital produziertes Bildmaterial. Dem gegenüber steht die Kunst, die sich ihre Produktionsmittel nicht immer nach wirtschaftlichen Kriterien aussuchen muss und in manchen Fällen noch auf analogen Film zurückgreift. So auch im Experimentalfilm „Eigentlich eigentlich Januar.“ Der Filmemacher Jan Peters beschreibt in dessen Voice-over diesen Wechsel als Befreiung: Man sei nicht mehr an die kommerziellen Rahmen der Filmentwicklung gebunden, jeder könne für sich zuhause oder im Kollektiv, mit einem Eimer und einer Mischung aus Instantkaffee, Vitamin-C-Pulver und Waschsoda seine eigenen Analogfilme entwickeln. Ähnlich wie es der Malerei bei der Einführung der Fotografie ergangen ist, bedeutete vielleicht auch die Einführung des digitalen Films eine künstlerische Befreiung für das Zelluloid.

Es ist ein Tagebuchfilm, den Jan Peters aus seiner Dunkelkammer mitbringt. Ein Rückgriff auf eine eigene Idee, nämlich den Film „Dezember 1-31“, in welchem er in den 90er Jahren bereits einen ganzen Monat auf analogem Material festhalten wollte, eine Filmrolle und ein vorgelesener Tagebucheintrag pro Tag. Dieses Festhalten von Erinnerung ist ein Thema, das sich wie ein roter Faden auch durch „Eigentlich eigentlich Januar“ zieht. Die beiden „Eigentlich“ im Titel sind dem Fakt geschuldet, dass 2021 das nicht geklappt hat, was 1999 noch realisiert werden konnte: Der Film zeigt nicht nur Material aus dem Januar, sondern auch aus den beiden Folgemonaten sowie Gefundenes aus anderen Jahrzehnten. Dabei weiß Peters‘ gekonnt, das Gefühl von Umplanung und Improvisation im Voice-over produktiv zu nutzen. Es werden zwei Zeitebenen aufgemacht: Ein „offizieller“ Off-Text, in dem tagebuchartig die Ereignisse des aktuellen Tages nacherzählt und über das Leben sinniert wird, steht geflüsterten „Fußnoten“ gegenüber, die Randinformationen geben, zuweilen das Chaos der Produktion beleuchten und die eigentlich gesetzte Struktur des Tagebuchfilms subversiv kommentieren. Hierdurch entsteht eine Aura der Vertraulichkeit, des Durchbrechens der Vierten Wand, die aber selbst wiederum im Verlauf des Films aufgebrochen wird: Denn irgendwann wird klar: Selbst wenn eines der Voice-over wirkt, als wäre es hinterher als Kommentar entstanden, sind doch beide Texte gleichzeitig aufgenommen worden.

Viele der Gedanken von Jan Peters‘ Tagebucheinträgen bilden einen nicht enden wollenden Strom aus Assoziationen und unkonventionellen Ideen. Für die Frage nach Genuss oder Frust beim Schauen von „Eigentlich eigentlich Januar“ ist es deshalb wichtig, ob dieser Strom einen persönlich mitreißt oder überspült. Beides scheint möglich.

Ein Thema, über das Peters immer wieder nachdenkt, ist die Ungerechtigkeit des Todes. Er erfindet die „Kosmisten“, deren Forderung es nicht nur ist, die ungleiche Verteilung von Lebenszeit durch die Einführung von „Ewigem Leben für Alle“ zu überwinden, sondern auch alle bisher Gestorbenen wiederzubeleben. Diese Unsterblichkeit findet sich für den Filmemacher wohl zu Teilen in der Sicherung von Momenten im analogen Film. Das Zelluloid kann die Menschen im Augenblick fixieren, sie auf verquere Weise haltbar machen. Auch das Moment der Wiederbelebung findet sich in „Eigentlich eigentlich Januar“ wieder: Auf einer eigentlich als leer deklarierten Filmrolle sind alte Aufnahmen von Menschen an der Atlantikküste zu entdecken. Sie wirken wie ins Material eingeschriebene Geister. Ihr „Tod durch Vergessen“ wurde durch ihr Auftauchen in der Dunkelkammer rückgängig gemacht. Gleichzeitig wirken die analogen Aufnahmen, auch die, die Peters selbst mit seiner Super-8-Kamera anfertigt, nostalgisch, wie ein Nachruf auf eigentlich schon gestorbene Zeiten.

„Eigentlich eigentlich Januar“ ist ein Film, der die Bereitschaft verlangt, sich auf ihn einzulassen. Das präsentierte Leben, das Leben eines Filmprofessors, der tief in der Kunstszene verankert ist, mag für die einen fremd und fern wirken, für die anderen nahbar, nachvollziehbar. Es ist anzunehmen, dass die erste Gruppe größer ist. Doch auch wenn einige der Anspielungen und einige Namensnennungen bedeutungslos bleiben, kann ein fernes, fremdes Leben durch ein Tagebuch wie dieses trotzdem greifbar werden.