Alles beginnt mit einem leisen Rauschen und Flüstern und den Weiten einer Schneelandschaft. Einige Iglus und Hunde sind zu sehen. Wir befinden uns im Jahr 1961 im Inuit-Camp Kapuivik in Kanada. An diesem Punkt setzt „One Day in the Life of Noah Piugattuk” ein. Der Film erzählt die auf Tatsachen beruhende Geschichte des Inuit Noah Piugattuk (Apayata Kotierk), der am titelgebenden Tag von einem kanadischen Beamten aufgesucht wird, der ihn bittet, aus seinem Dorf in eine kanadische Siedlung umzuziehen. Der Regisseur Zacharias Kunuk ist ein Kanadier, der zu den Inuit gehört und seine ersten neun Lebensjahre in einer Inuit-Siedlung verbrachte. Im Jahr 2009 war er Mitbegründer des Videoportals „Isuma TV“, welches indigenen Filmschaffenden in Nordamerika die Möglichkeit bietet, ihre Geschichte, die vor allem aus Überlieferungen bestand, audiovisuell und in ihrer Sprache zu erzählen.

Eben jene eigene Sprache ist auch ein zentrales Thema des Films, denn der kanadische Beamte (Kim Bodnia), der nur als „The Boss“ bezeichnet wird, und Noah können sich nur mittels eines Übersetzers (Benjamin Kunuk) miteinander verständigen, dessen Übersetzungen aber eher als Paraphrasen zu bezeichnen wären. Die Probleme der Verständigung liegen hier aber nicht nur auf rein sprachlicher Ebene, sondern sind grundsätzlicher Natur. Die etwas mehr als einstündige Dialog-Passage der beiden ist geprägt von einem gegenseitigen, fundamentalen Unverständnis des anderen, etwa wenn der Beamte immer wieder versucht, Noah durch die Aussicht auf finanzielle Sicherheit seine Zustimmung abzuringen, dieser aber nicht versteht, was so wichtig an Geld sein soll. Ein Verstehen kann hier nur am Rand stattfinden.

Doch interessanterweise versucht der Film nicht, zwischen diesen beiden Positionen zu vermitteln oder auf eine Lösung des Konflikts hinzuarbeiten, sondern er zeigt in großer Langsamkeit das nicht zu lösende Missverhältnis zwischen dem weißen Kanadier und den Inuit auf. Kolonialismus ist hier kein Ausbruch von physischer Gewalt, sondern ein langsam hervorkommendes Gefühl der natürlichen Überlegenheit. Die Kamera beobachtet dabei die Figuren ganz still und ruhig, mit vielen Großaufnahmen. Diese dienen jedoch keiner starken Emotionalisierung, sondern lassen die kleinen Veränderungen in den Gesichtern der Figuren zum Vorschein treten.

Gegen den übermächtig scheinenden Staat, dessen Regeln der Beamte immer wieder betont, solidarisiert sich Kunuk mit seinen Figuren. Gerade in der ersten halben Stunde des Films, in der dieser den Alltag und die Familie von Noah zeigt, wird deutlich, dass er keine Außenperspektive vermitteln möchte, sondern aus einer selbstständigen Position heraus seine Geschichte erzählt. Der ganze Film ist von dieser Haltung durchzogen und zeigt dies sehr subtil auch dadurch, dass im Hintergrund des Gesprächs die Unendlichkeit der Natur, in der Noah bleiben möchte, fast schon wie ein Beschützer der Inuit wirkt. Der raue Ton des Schnees und das leise Rauschen des Windes unterstützen diese Naturerfahrung, die der Film produziert.

Das stete Wiederholen der Frage des kanadischen Beamten nach der Umsiedlung, welches im Laufe des Films zum beherrschenden Prinzip wird, verstärkt die Solidarität des Films mit Noah und seinen Freunden und zeigt, dass der Blick des Beamten trotz aller Gesprächsversuche bis zum Schluss ein kolonialer bleibt. Er sagt an einer Stelle, dass er die Erfahrung verstehen wolle, doch der Film macht deutlich, dass dies nicht möglich gewesen ist. Der Widerstand, den dieser Tag im Leben von Noah Piugattuk uns zeigt, ist kein persönlicher, sondern vielmehr eine filmische Form der Selbstermächtigung einer Kultur gegen ihre Zerstörung.