Eine Klasse voller Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache haben, und das in Österreich? Leider bei vielen Menschen in unserer Gesellschaft nicht gerne gesehen. So zeigt sich eine zweite Klasse einer Volksschule des 10. Wiener Gemeindebezirks, der sich vor allem durch Familien mit Migrationshintergrund auszeichnet und Favoriten heißt.
Im gleichnamigen Film Favoriten von Ruth Beckermann wird der Alltag solch einer Schulklasse über drei Jahre hinweg begleitet. Dabei wird ein Einblick in das Schulleben der 25 Schüler:innen mit allen Höhen und Tiefen gegeben und eine engagierte Lehrerin gezeigt, die mit ihrer liebevollen, aber auch konsequenten Art Kinder mit Migrationshintergrund von der zweiten bis zur vierten Klasse betreut. Diese schafft es, ihnen sensible Themen wie den Russland-Ukraine Krieg auf pädagogische Weise näherzubringen. Auch auf schwierige Fragen der Kinder, die teils auch auf kulturelle Unterschiede des Elternhauses basieren, geht die Lehrerin mit viel Geduld ein und versucht die Kinder zum Nachdenken zu bringen.
Jedoch liegt das Augenmerk nicht ausschließlich auf dem Lehrauftrag der Lehrerin, sondern auch der Umgang zwischen den Schüler:innen wird in diesem Dokumentarfilm eine wichtige Rolle zuteil. Beim Ansehen der freien, unbeschwerten Interaktion zwischen den Kindern wirkt es häufig, als wäre die Kamera von diesen gar nicht wahrgenommen worden. Auch bei Streitigkeiten ist sie stets vorzufinden und zeigt sowohl die Konfliktentwicklung als auch die Lösungsversuche, für welche die Kinder die Lehrerin zu Hilfe holen. Es handelt sich bei dieser Schulklasse nicht einfach nur um eine Gruppe, sondern vielmehr um eine Gemeinschaft, die sich durch ihren starken Zusammenhalt auszeichnet.
Auseinandersetzungen, aber auch das schöne Miteinander und der Spaß am gemeinsamen Lernen finden Platz in Ruth Beckermanns Film. Dabei ist es interessant zu sehen, wie das Publikum auf das Gezeigte reagiert und Emotionen in diesem ausgelöst werden. Über viele lustige Aussagen der Schüler:innen wird gelacht und zahlreiche Seufzer sind zu hören, als Kinder ihre schlechte Note in der Klassenarbeit erfahren und anfangen zu weinen. Es zeigt sich, dass diese Kinder es bereits nach kurzer Zeit schaffen, die Herzen des Publikums zu gewinnen. Dies geschieht, obwohl die Kinder aus einem Bezirk stammen, den ethnische und kulturelle Vielfalt auszeichnen und die Schüler:innen nicht Deutsch als Muttersprache sprechen. Kinder, die für viele Menschen der Gesellschaft als eher „minderwertig“ gelten und nicht unbedingt als die „Favoriten“ gesehen werden. Der Film schafft es, solchen Kindern einen Raum und Anerkennung zu geben.
Insbesondere im 10. Bezirk mangelt es an vielen Schulen an Personal. So verkündet der Schulleiter im Film, dass viele Lehrer:innen durch verschiedene Gründe, wie etwa eine Schwangerschaft, ausfielen und sie mehr Personal benötigten. Die Dokumentation zeigt die Institution Schule mit all ihren Schwierigkeiten und macht das Publikum darauf aufmerksam, dass starke Defizite herrschen, obwohl gerade für Kinder aus jenen Bezirken eine ausreichende Bildung und Sprachförderung von Bedeutung wäre.
Favoriten begleitetet nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund in ihrer Schullaufbahn und zeigt eine Lehrerin, die sich durch eine liebe- und respektvolle Art auszeichnet. Beckermann verdeutlicht, wie wichtig es ist, jede:r Schüler:in ausreichend Bildung und Sprachförderung zu ermöglichen und mit passenden Lehrer:innen die Zukunftsgestaltung jedes Kindes zu unterstützen. Sie schenkt Kindern eine Aufmerksamkeit, die es in unserer Gesellschaft nicht immer leicht haben, in der Hoffnung, jede:r Zuschauer:in zu vermitteln, dass auch diese Kinder, wie jedes andere Kind, einen Platz und Anerkennung in unserer Gesellschafft verdient haben.