Am Anfang von Maisie Crows JACKSON begleitet das Publikum Shannon Brewer auf ihrem Weg zur Arbeit. Diese Autofahrt ist jedoch keineswegs so langweilig und normal wie man es von anderen Arbeitswegen kennt, denn Shannon ist die Leiterin der Abtreibungsklinik im titelgebenden Jackson – die letzte in ganz Mississippi. Als sie sich mit dem Auto der Klinik nähert, wird sie schon bald von den christlichen Mitgliedern der Pro life-Bewegung konfrontiert, welche lautstark vor der Klinik protestieren und alle Näherkommenden bedrängen; diese sind gegen Abtreibung, halten sie für Mord und möchten, dass die schwangeren Frauen ihre Kinder bekommen. Die Bewegung hat mittlerweile eigene Center eröffnet, um dort von Abtreibung abzuraten, eines davon wird geleitet von Barbara Beaver.

Die Mehrheit der Frauen, die die Abtreibungsklinik aufsuchen sind jung, afro-amerikanisch und leben in Armut. Sie können es sich nicht leisten, noch mehr Kinder zu bekommen und können ihre jetzige Familie schon kaum ernähren. Es mangelt an Sexualerziehung, generell an Bildung, aber statt diese Probleme an den Wurzeln zu greifen, werden nur die Resultate bekämpft – und das durch Abtreibung. Oft, scheint es, bleibt keine andere Wahl für die Frauen.

JACKSON gibt uns einen Einblick verschiedene Leben: das der Klinikleiterin Shannon Brewer, das der Leiterin der Klinik der Pro-life Bewegung Barbara Beaver und in das von April Jackson. Letztere ist ein Beispiel für das Schicksal vieler junger Mütter in der Region: sie ist ungewollt schwanger mit ihrem fünften Kind und ist sich unsicher, ob sie es bekommen soll. Sie wird von Barbara überredet, ihr Kind zu bekommen. Barbara ist streng gläubig, weiß, kommt aus der Mittelklasse und unternimmt keine Anstrengungen sich in Aprils Lage hineinzuversetzen. Sie predigt Geburtenkontrolle sei Unsinn, man solle sich selbst kontrollieren. Außerdem hätten Kondome eine 20-prozentige Fehlerrate.

Mit der Geschichte dieser drei Frauen und dem Kampf der Abtreibungsklinik gegen die Schließungsabsichten der Pro-life Bewegung beschäftigt sich Maisie Crow in JACKSON. Der Film wirft einen unverblümten Blick auf das Thema Abtreibung: Das Publikum ist Zeuge bei einem Beratungsgespräch, bei dem die Folgen einer Abtreibung erklärt werden. Die Kamera ist sogar bei einer Abtreibung dabei und man hört das Geräusch der Pumpe, die den Fötus absaugt. Maisie Crow lässt den Zuschauer am Beispiel von April auch den Blickpunkt der Abtreibenden verstehen: es wird gezeigt, dass sie mit ihren bisher vier Kindern in einem verwahrlosten Haus lebt.

Mit JACKSON möchte Maisie Crow ein Statement machen – schon nach wenigen Minuten des Filmes hat das Publikum realisiert, dass die Regisseurin für ein Recht auf Abtreibung einsetzt. Auf der Homepage des Filmes kann man zudem für die Abtreibungsklinik spenden. Der Film weist eine dokumentarische Form auf und ist oft dahingehend konstruiert, die Zuschauer*innen auf seine Seite zu ziehen. Dies tut JACKSON mit Hilfe von ausdrucksvollen Kadrierungen, beispielsweise sieht man einen Arzt der Abtreibungsklinik mit einer Behandlungslampe vor einer gelben Wand, gerade so als bsäße er einen Heiligenschein. Vor ihm sieht man die gespreizten Beine einer seiner Patientinnen.

Maisie Crow schafft es mit ihrem Film, das Publikum zu berühren und einen Einblick in das Leben von Frauen zu geben, die ungewollt schwanger sind und für die eine Abtreibung in vielerlei Hinsicht die als einziger Auswege erscheint. Sicherlich ist es schwer, einen Film über ein so polarisierendes Thema zu produzieren ohne selbst Stellung zu beziehen. Das Publikum darf daher nicht vergessen, das hinter jedem Film -auch hinter jeder Dokumentarfilm- ein Regisseur mit einer Meinung steht.

von Katharina Popp

Gesehen beim 10. LICHTER Filmfest Frankfurt International im internationalen Langfilmwettbewerb zum Thema „Wahrheit“.