Ich sitze in einem hölzernen Kahn, der friedlich auf einem Fluss treibt. Golden fällt das Sonnenlicht durch die Bäume und spiegelt sich auf der reinen, blauen Oberfläche. In der Luft tanzen Mücken und Staub. Auf einmal tritt ein Fremder neben mich – ein schwerer, rauer Mann – und zieht den Kahn ans Ufer. Ich bin ihm sehr nah. Neben meinem Auge hebt und senkt sich sein Bauch beim Atmen. Ich schaue weg, den Fluss herunter, doch in meinem Augenwinkel ist da immer noch der Fremde.
Ich sitze auf dem Beifahrersitz eines heruntergekommenen, wackeligen Cabrios. Wir fahren einen staubigen Pfad hinunter, der von Wellblechzäunen, knorrigen Bäumen und Gräsern gesäumt ist. Der Fahrer ist ein Mann in einem Camouflage T-Shirt, er hat seinen kleinen Sohn dabei. Der Junge sitzt vor mir auf dem Sitz und späht durch die dreckige Windschutzscheibe, die Händchen auf dem Armaturenbrett. Er dreht sich zu seinem Vater um, dann zu mir. Er ist aufgeregt, lächelt mir zu. Ich möchte seinen schmalen Körper fassen. Er ist nicht angeschnallt.
Ich bin in einem Wohnzimmer, mit zwei Alten, die für mich singen. In einer Kirche. In einem zerfallen Haus. Im Wald mit einem Pferdekarren unterwegs. Ich schwebe über das Flussufer, das Schilf ist fedrig und wiegt sich im Wind. Ich fliege. Hoch. Hoch über Bäumen und Wiesen und dem Fluss.
Ich bin leicht, entfesselt, mal hier, gleich dort. Ich bin körperlos.
Es fühlt sich an, als wäre ich wirklich da gewesen, in den Auen des rumänischen Donaudeltas. Das VR-Erlebnis des Kurzdokumentationsfilm THE WETLAND ist erstaunlich intim, haptisch. Es wird ein Kontakt hergestellt, mit der Natur und mit den Tieren. Aber besonders eben mit den Menschen. Man ist so unvermittelt in ihrer Umwelt, so nah an ihren Körpern, dass es schon unangenehm sein kann.
Doch der Film lebt. Er ist freundlich, er lächelt und verzaubert und leuchtet. Und wenn mir unter der schweren VR-Brille ein wenig schwindelig wird, ist es das wert.

Franziska Pohl

 

THE WETLAND
Ioana Mischie
Rumänien 2019
16 Min

THE WETLAND kann man als Virtual Reality-Film im Rahmen des OPEN FRAME AWARD Ausstellung im DFF Frankfurt und im Museum Wiesbaden sehen und erfahren.

Ort und Termine:
Museum Wiesbaden
11.04. bis 16.04. 

Öffnungszeiten: Di & Do, 10:00 – 20:00
Fr, 10:00 – 17:00 Sa bis Mo, 10:00 – 18:00

DFF, Frankfurt
03.04. bis 07.04. 

Öffnungszeiten: Mi, Do, Sa, So, 10:00 – 18:00 Fr, 10:00 – 20:00