[1] And I think it’s gonna be a long, long time…  

ROCKETMAN 360 ist bei weitem kein perfekter Film. Kritik zu üben ist leicht: fehlendes handwerkliches Geschick, Bildfehler en masse, eine cheesy Story, abstinente schauspielerische Leistung und dennoch berührt er mich. Muss es denn immer Hochglanz Kunstkino sein? Haben empfundene Emotionen nicht auch einen ganz eigenen Wert? Einen, der nur von einem selbst bestimmt werden kann? Einen, der sich eventuell auch erst aus der eigenen Historie ergibt? Das Verlassen eines Partners ist immer eine schwere Entscheidung. Für beide Parteien. Es lastet auch auf den eigenen Schultern, zeigen tut man es aber nie. Dem entgegengebrachten Hass muss man aushalten – nicht für sich – aber für den Partner, das ist das mindeste. Fernbeziehungen sind hart, eine planetarische Entfernung ist härter. So hart, dass ich der Protagonistin irgendwann nicht mehr in die Augen sehen wollte. Lieber sah ich auf den Boden oder auf eine Wand, denn der virtuellen Realität kann man nicht entkommen. Genau wie sie ihrer Realität nicht entkommen kann. Bis wir uns wiedersehen. Adieu.

Christoph Piening

 

[2] Wenn Virtual Reality eindimensional wird…

Das ist die ganz, ganz große Liebe: Umarmungen, Küsse, Tränen. Wer zum hundertsten Mal eine Goodbye-my-big-love-Schnulze sehen will, der ist hier richtig.  Über 20 Minuten hinweg wird die Story eines flachen Charakters erzählt, der für immer auf den Mars fliegt. Seine noch glattgebügeltere Freundin sendet ihm eine Videobotschaft ins Cockpit. Die endet – wer hätte es gedacht – damit, dass sie schwanger ist. Logische Konsequenz ist dann natürlich der Song, den sie am Klavier für ihn spielt: Rocketman von Elton John. Dass der Film in VR und 360° gedreht wurde, gibt ihm leider trotzdem keine Tiefe.

Sophie Kaupp

 

[3] Ohrwurm im All

Der Rocketman hat eine wichtige Mission, also ab zum Mars. Wir befinden uns mit ihm in der Raumkapsel, links und rechts sitzen weitere Astronauten-Kolleg*innen. Mein erster Gedanke: der Ausblick im Weltraum ist bestimmt nicht zu verachten, aber bekommen die Menschen keine Platzangst? Das Gefühl, mit in der Kapsel zu sitzen, beunruhigt mich.
Die Freundin des Rocketman schickt ihm ein 360 Grad-Abschiedsvideo, und so tauchen wir mit ihm in das Video ein – Erinnerungen an eine Beziehung, die nun ein Ende findet. Der Weltraum wartet schließlich. Ich drehe mich während den Szenen um das Pärchen ziemlich oft um und denke mir: schicke Wohnung! Die Szenen um das Pärchen interessieren mich nicht so sehr wie der Mars, der sich gegen Ende ins Bild schiebt, und der Weltraum, den ich sehe, egal wie ich mich drehe. Das Erlebnis mit der VR-Brille auf der Nase hat mich begeistert, der Film selbst hat vor allem eines geschafft: Mir einen anhaltenden Ohrwurm zu verpassen. Rocketman!

Verena Scheuerle

 

[4] Houston wir haben ein Problem – oder mehrere

ROCKETMAN 360 veranschaulicht auf prägnante Weise die Möglichkeiten und Hürden aktueller Virtual Reality-Projekte. Die Geschichte eines Spielfilms aus der Perspektive der Protagonist*innen zu erleben, klingt im ersten Moment nach einem spannenden Erlebnis. Wenn dann jedoch mittelmäßige Schauspielkunst auf technische Mängel stößt und ein Mehrwert der genutzten Technik nur am Rande zu erkennen ist, wird ein immersives Erlebnis nur in Ansätzen möglich.

Allan Massie

 

[5] Von Tränen und Technik

Irgendwie witzig, dass der einzige Film mit Science Fiction-Thematik der technisch vergleichsweise unausgereifteste aller VR-Filme war. Wenn ich meinen Blick, aus Neugier oder aus Langeweile, doch mal von der recht linearen Handlungsrichtung abwendete, entdeckte ich ziemlich oft solche Patzer wie abgeschnittene Hälse oder grobpixelige Teilbereiche. Es wurde jedoch auch schnell klar, dass der Fokus mehr auf dem emotionalen Storytelling liegt, als auf der Präsentation technischer Möglichkeiten von VR-Filmen. Was eigentlich mal eine ganz nette Abwechslung für jene ist, die schon genug von diesem „Kinos der Attraktion“ haben. Wer jedoch eine revolutionär neuinterpretierte Lovestory erwartet, könnte trotzdem enttäuscht werden. Die Geschichte eines Helden, der seine werdende Familie zu Gunsten der Wissenschaft, des Fortschritts, oder konkret gesagt, der Kolonialisierung des Mars zurücklässt, ist so alt wie die Raumfahrt selbst. Dennoch geht die Rechnung auf. Ich hatte zumindest spätestens als der stark emotionalisierende Ohrwurm von Elton John losging die Befürchtung, gegen bestimmte Hygienevorschriften zu verstoßen, wenn ich in die VR-Brille weine, die so viele nach mir noch nutzen möchten. Jetzt bin ich doch irgendwie froh, so früh aufgestanden zu sein.

Janina Pickel

 

ROCKETMAN 360
Milo Simulov
Rumänien 2018

ROCKETMAN 360 kann man als Virtual Reality-Film im Rahmen des OPEN FRAME AWARD Ausstellung im DFF Frankfurt und im Museum Wiesbaden sehen und erfahren.
Ort und Termine:

Museum Wiesbaden
11.04. bis 16.04. 

Öffnungszeiten: Di & Do, 10:00 – 20:00
Fr, 10:00 – 17:00 Sa bis Mo, 10:00 – 18:00

DFF, Frankfurt
03.04. bis 07.04. 

Öffnungszeiten: Mi, Do, Sa, So, 10:00 – 18:00 Fr, 10:00 – 20:00