[1]  Lost and Found

Ein Lebewesen, das sein gewohntes Umfeld verlässt, um an einem fremden Ort zu leben.
Nachdem der Kater von einer guten Seele aufgenommen und in ein neues, dörfliches Zuhause gebracht wird, scheint zunächst alles gut. Als seine neue Familie dann jedoch in eine größere Stadt ziehen muss und Teofrastus nach einem Sturz vom Balkon auf sich alleine gestellt ist, beginnt sein erneuter Kampf ums Überleben. Heranrasende Fahrzeuge, genervte Menschen – an einem Ort wie diesem findet Teofrastus kaum Hilfsbereitschaft oder Verständnis.
Regisseur Sergej Kibus zeigt uns wie Tiere (aber vielleicht auch einfach alle Lebewesen) mit der Sozialisierung in neuen Umgebungen zu kämpfen haben – und wie lange es dauert, bis diese wieder in ein fröhliches Lebensgefühl finden.

Allan Massie

 

[2]  Es ist doch nur Knete!

Der Film beginnt. Ein zutraulicher, kleiner, streunender Kater betritt den Bahnsteig. Seine Bewegungen sind erstaunlich flüssig und natürlich, immerhin ist er ja nur aus Knete.
Die Aufnahmen des Katers werden größer, man kann jetzt genau seinen aufmerksamen, liebevollen, wachen Blick erkennen. Ich werde unweigerlich an meine Katze erinnert, dabei ist es doch nur Knete.
Die Jahreszeiten vergehen, man sieht wie Knospen sprießen und Blätter fallen. Dem Kater wurde mittlerweile ein Name und ein neues Heim gegeben. Teofrastus ist glücklich in seinem großen Garten, das sieht man ihm an, mit jedem Schritt den er tut, auch wenn es nur Knete ist.
Jetzt muss Teos Familie mit ihm umziehen, in eine große Stadt, die Reise macht ihm Angst. Sein nervöses Miauen, seine kauernde Haltung, die zurückgelegten Ohren und das sich kräuselnde Fell sind mir so gut bekannt. Ich wünsche ihm, dass die Reise bald vorbei ist! Ach, Unfug, es ist doch nur Knete.
Teo versucht, sich in seinem neuen Zuhause zurecht zu finden, er erkundet offenherzig und neugierig, wie Katzen nun mal sind und geht dabei verloren. Oh nein, ich weiß genau, was jetzt kommt. Eine Erzählung des Albtraums, den jeder Besitzer durchmacht, wenn sein geliebtes Tier plötzlich verschwindet. Wird er überfahren, wird er verhungern, erfrieren oder von schlechten Menschen gequält? Ich sehe die Furcht in Teos Augen, durchlebe eine reale Angst nochmal und vergesse das es eigentlich nur Knete ist.
Teo überlebt, aber lädiert und auch nur, weil er doch noch das Glück hat auf Menschen zu treffen, die ihm Gutes wollen. Nun lebt er wieder in seinem Garten, fernab der kalten Stadt. Sein geschundener kleiner Körper, das verletzte Auge; Mir bricht das Herz ihm dabei zuzusehen, wie er nur an einer Stelle sitzt und die Jahreszeiten um ihn herum vergehen. Wird er wieder ganz der Alte oder hat dieser Ausflug ihm doch zu viel genommen? Die Musik bohrt und der Erzähler kündigt ein Happy End an, doch es ist zu spät! Ich habe mein Empfinden von Realität und Fiktion verloren und wurde von Knete zum Weinen gebracht.

Janina Pickel

 

[3]  Mein grüner Käfig 

Die Tage und Nächte zogen an mir vorbei. Der Garten, der einst mein Zuhause gewesen war, geborgen und weit, glich inzwischen einem Gefängnis. Wie konnte ich hier je zufrieden gewesen sein? Damals, als alles vor dem Gartentor mir Angst gemacht hatte. Was war an der weiten Natur, den Bäumen und Vögeln so schlimm? Die früheren Ängste schienen im Vergleich zu meinen Erlebnissen in der Stadt geradezu lachhaft. Ebenso lachhaft wie der kleine Garten, in dem ich nun leben musste.
Das Loch im Zaun war eine Verhöhnung. Meine Möglichkeit, all dies hinter mir zu lassen und in die Weiten der Welt zurückzukehren. Wie konnte ich nach allem, was ich gesehen hatte, hier bleiben? Doch der Hund lauerte unermüdlich auf der anderen Seite und bellte bedrohlich, wann immer ich dem Loch zu nah kam. Der Wächter meines Käfigs.
Früher hat mich das nicht gestört. Nach der ersten Auseinandersetzung mit dem Hund hatte ich mich nicht mehr für die Welt außerhalb des Gartens interessiert. Zu viel Leid hatte ich dort erlebt. Doch nach der Zeit in der Stadt fiel es mir schwer mich daran zu erinnern, was überhaupt schlimm an meinem Leben gewesen war. Musste es nicht besser sein als der grüne Käfig, in dem ich heute lebte?
Die Menschen schienen meine Gedanken nicht zu interessieren. Immerzu achteten sie darauf, das Tor schnell zu schließen, wenn sie kamen und gingen. Nach einer Weile kauften sie eine zweite Katze in der Hoffnung, mich von meinen Gedanken abzulenken. Doch die Anwesenheit von ihr und unseren Kindern ließen den Käfig nur noch kleiner wirken.
Viele Tage und Nächte verbrachte ich so in meiner Trauer. Der Winter kam und ging ohne Veränderung. Doch eines Tages bemerkte ich eine Veränderung: Der Hund hatte den ganzen Morgen lang nicht gebellt. Und schon die Nacht davor war, ganz untypischerweise, leise verlaufen. Dies war meine Chance. Ein letztes Mal legte ich mich ins Gras und schlief. Ich hatte eine lange Reise vor mir.

Daniel Ugurel

 

[4]  Was wir von Katzen und Kindern lernen können

„Hör auf die Erwachsenen, die wissen es besser“, habe ich als Kind öfters zu hören bekommen, wenn ich mal wieder etwas „Dummes“ angestellt hab. Jetzt da ich offiziell ja selbst zu den Erwachsenen gehöre, bin ich mir dessen gar nicht so sicher. Klar geworden ist mir das wieder, nachdem ich den Kurzanimationsfilm Teofrastus von Sergei Kibus gesehen habe.

Der Film erzählt die rührende Geschichte des herrenlosen Katers Teofrastus, der von einem Ehepaar in ihr Landhaus aufgenommen wird und gegen seinen Willen in die Großstadt mitgenommen wird. Dort ist der Kater nicht glücklich, flieht von Daheim und erfährt meist nur Misshandlung. Ein Happy End hat der Film aber doch. Das Ehepaar findet Teofrastus wieder und bringt ihn zurück zum Landhaus, wo er eine Familie gründet und nach der Überwindung seines Schocks glücklich bis zum Ende seiner Tage lebt.

Der Regisseur sagt selbst, dass er „die einfachste Geschichte auf die aufwendigste Weise“ erzählen wollte. Insgesamt drei Jahre haben die Filmemacher für die Animation im Knetstil dieses 15-Minuten langen Films gebraucht. Respekt! Aber ist es wirklich eine einfache Geschichte? Sie ist sicher leicht zu verstehen, doch für mich ist sie äußerst tiefgründig. Teofrastus lebt wie seine Artgenossen mit einer beneidenswerten Unbekümmertheit und macht nur das, auf was er Lust hat. Als der Kater an einen fremden Ort verfrachtet wird, bleibt er sich selbst treu. Er verstellt sich nicht – das liegt nicht in seiner Natur. Glücklich kann er nur werden, wenn er das Leben nach seinen eigenen Bedingungen lebt. Das scheinen viele Menschen mit dem Erwachsenwerden zu vergessen. Als Kind war das anders. Auch Kinder leben ähnlich wie Katzen ohne viel nachzudenken und sind gerade deshalb glücklich.

TEOFRASTUS ist eine Geschichte über Mitgefühl, Vertrauen und Freiheit. Man könnte den Film sicher auch auf die Flüchtlingsdebatte übertragen. Mache ich aber nicht. Für mich zeigt TEOFRASTUS in erster Linie, dass es Kinder bzw. Katzen es vielleicht doch besser wissen als Erwachsene.

Domenico Colucci

 

TEOFRASTUS
Sergei Kibus
Estland 2019
15 Min

TEOFRASTUS ist Teil des Programms des RHEINMAIN KURZFILMPREIS des 19. goEast Filmfestival des mittel- und osteuropäischen Films.

Letzte Termine:
Sonntag, 14.04.2019, 14:00 Uhr, Festivalzentrum