Wie Liebe zeigen, wie über Liebe schreiben, wie etwas vermitteln und fassen, das so sehr in der eigenen Subjektivität verortet ist, dass schon der Versuch zwangsläufig im Klischee enden muss? Vielleicht in Ausschnitten und Fragmenten. Die Programmreihe des Lichter Filmfests To jamais, kuratiert von Karola Gramann, Heide Schlüpmann und Gunter Deller stellt sich der Aufgabe das zu fassen, was nicht zu fassen ist. Ein Kurzfilmprogramm der entgleitenden Enden, flüchtige Faszinosa und moments. Die 12 kurzen Filme eint dabei das analoge Material. Mal schön inszeniert, mal arg ramponiert rattern sie durch den Projektor und ermöglichen einen Blick auf Variations of Love, die zwischen ganz nah und ganz fern, Subjekt und Objekt, politisch und persönlich zu oszillieren scheinen. Im Fragmentarischen darf die Suchende hier fündig werden auf ihrer Jagd nach der Liebe.
Ich sehe: ein Picknick. Ein gut gefüllter Korb wurde unter großen Mühen gebracht und ein Festmahl bereitet auf der Wiese neben der großen Baustelle. Sie ist den Berg hinaufgestiegen, schwer bepackt. Und er hunderte Sprossen hinab, um zumindest kurz, für die Dauer einer Mahlzeit, mit ihr vereint zu sein. Zärtlich sind die Berührungen, doch die Geräusche der Baustelle lassen uns nicht vergessen, dass diese Enklave nur von kurzer Dauer sein kann, bevor sich die Realität der Arbeitsprozesse wieder in den Vordergrund schieben wird. Die beiden brauchen sich nicht zu küssen: Auch Worte sind nicht notwendig, um zu verstehen, was sich vor uns auf der Leinwand bei Ljubav (YU 1972, Vlatko Gilić) zeigt.
Eine scheinbare Obsoleszenz der Worte fällt bei allen Filmen der Programmreihe auf. Fast keiner braucht Sprache, um die Gefühle der Bilder begreiflich zu machen. Selbst Desert Miracles (D 2015, Miriam Gossing und Lina Sieckman) lässt den Liebesbrief aus dem Off nach und nach in den Hintergrund treten, denn Nevadas Whitechaples verbildlichen die Ambivalenz der modernen Liebe und schaffen es durch kühle, sachliche Bilder sie für uns einzufangen. Ich frage mich trotzdem: Was hat wohl das Paar von The Kiss (USA 1896, William Heise) gesprochen, dass sie zum Schmunzeln brachte, bevor der erste Kuss der Filmgeschichte auf Zelluloid gebannt wurde? Und was das Teenagerpärchen in Light my Fire (D 2013, Gunter Deller), das (un)beobachtet den ersten Kuss im Hinterhof des Filmemachers teilt?
Ich sehe: Deinen Blick. In Moment (GB 1968, Steven Dowskin) wird in einer unbewegten kontinuierlichen Einstellung eine junge Frau gefilmt, vor, während und nach ihrem Orgasmus und es zeigt sich der Wechsel ihres Blicks. Von außen nach innen und wieder zurück. Wir beobachten und wir sehen, wie das Persönliche zum Politischen wechselt. Im Nebeneinander der Filme tritt das ins Zentrum, was sonst häufig weggedrängt wird: Auf die zärtliche, verspielte und kitschige Liebe folgt der Arbeitsalltag von Biggi (BRD 1986-87, Regine Steenbock), die uns nach verrichteter sexueller Serviceleistung verschmitzt zuzwinkert, eine sexy Sexparty (BRD/NL 1987, Angelika Levi) von Dykes in Amsterdam, von der nur noch Fragmente aus dem Kopierwerk übriggeblieben sind oder ein Pornofilm aus den 1970ern, der im chemischen Zerfall des Materials sich dem voyeuristischen Blick verweigert und vielleicht darin The Color of Love (USA 1994, Peggy Ahwesh) zeigen kann. Flüchteten die Filme hier ins Außen und auf die Gesellschaftsebene, so pendelt das Programm ebenso schwungvoll zurück, ganz nah ran an den Körper.
Ich sehe: deine Muttermale. Die Kamera verliert sich in den Sommersprossen, poetisiert das Achselhaar und erotisiert das Armaturenbrett – ganz nah ran, so nah es geht und versuchen, etwas am Körper der anderen zu finden, was bisher noch nie gesehen wurde, Picoroco (CHL/D 1997/2023, Angelika Levi). Es fühlt sich fast etwas verboten an, die Liebe, die aus den Bildern spricht, zu beobachten. So nah und persönlich, wie die Filme einen heranlassen. Zärtlich streicht der junge Mann mit einer Puderquaste über den Lack seines Cars. Im Hintergrund ein Lovesong. Kustom Kar Kommandos (USA 1965, Kenneth Anger) verführt und berührt und schafft es, die Frage nach Objekt und Projektion im Lack des Autos spiegeln zu lassen.
Es bleibt flüchtig. Es bleibt schwer zu fassen, das Gefühl und die Gedanken. In Lieben (BRD 1990, Tamara Gricić) und All My Life (USA 1966, Bruce Baillie) schwenkt die unruhige Kamera und verweigert sich der Eindimensionalität. Vielleicht zeigt sich in allen Filmen, dass gerade erst im entgleitenden Bild in den Köpfen der Zuschauer:innen das entstehen kann, was sich das Kurzfilmprogramm zum Ziel gesetzt hat: Liebe vor unseren Augen vorüberziehen lassen.