Warum Supermarkt, wenn man auch Wiese haben kann?
Das fragt sich Filmregisseurin und Drehbuchautorin Lola Randl und zieht aufs Land. Ihr essayistischer Film versprüht einen Funken Poesie da, wo die Landlust aufhört und das wirkliche Landleben beginnt. Mit ihrer fast schon soziologisch angehauchten Studie beschäftigt sie sich voller Selbstironie mit Aufgaben der zugezogenen Stadtmenschen, welche sich in einem kleinen Dorf ein großes Stück Land kaufen und damit alle alteingesessenen Bewohner in ihrem Alltagstrott aufwirbeln.
Enthusiastisch macht sie sich daran, die brachliegenden Beete wieder „zu guten Beeten“ zu machen, und alle in der Gemeinde werden eingespannt und den passenden Rollen zugeordnet, ohne dass sie diese spielen müssen: denn sie sind, wie sie sind, krempeln die Ärmel hoch und helfen gerne mit. So treffen sich teilweise ganz wunderbar absurde Charaktere, wie der jugendliche „Kompostbeauftragte“, der mit Spraydosen das stinkende Ding zum Brennen bringt und dabei erklärt, die hippen Sprayer aus Berlin machen das genauso, während der siebzigjährige Dorfopa kopfschüttelnd daneben steht.
Alle normativen Ordnungen und Regeln scheint sie aushebeln zu wollen. Eigentlich haben ja alle keine Ahnung, dafür aber eine schöne Vorstellung, viel Elan und Begeisterungsfähigkeit. Das eigene Scheitern mit gewissen Anbauarten, mit Schafen, die überall bleiben wollen, nur nicht im eigenen Garten, und einem ganzen Bienenstock voller toter Bienen erwecken zwar Enttäuschungen, aber keinen Frust. Erfahrungen machen und aus Fehler lernen, das ist die Devise. Scheitern als System, um zu lernen.
Ein Raunen geht durch das Kino, wenn ein neuer Platz für das ausbüxende schwarze Schaf Abraham gefunden werden soll und Lola Randl scherzhaft meint: in der Tiefkühltruhe. Das Schaf schaut genauso entsetzt wie die Zuschauer, als eine Szene später klar wird, dass die so scherzhaft in den Raum geworfene Bemerkung durchaus ernst gemeint war. Abraham wandert auf den Grill, und alle im Dorf loben ihn und halten freudig seine Überreste in die Kamera. Dafür taucht etwas später auch der hippe, veganer Grillmeister mit gepflegtem Bart auf. Denkst du etwa, die Natur is(s)t vegan? Heiß wird diskutiert, Verhaltensweisen ohne einen moralischen Zeigefinger infrage gestellt, und das mit einer gesunden Distanz und Neutralität, die nicht fest in einer bestimmten Weltanschauung verwoben ist. Alles wird eben ausprobiert.
Und als wären die schon bestehenden Fragen zur Nachhaltigkeit nicht schon genug, verwebt Lola Randl noch eine Dreiecksbeziehung zwischen sich, ihrem Freund Philipp und Hilfsarbeiter Bernd in die Geschichte mit hinein. Auch hier scheint sie alle Grenzen sprengen zu wollen, denn eigentlich ist es ja nicht mal feministisch, zwei Männer zu haben – das reiche ja gar nicht. Die offene Beziehung, wie führt man die? Kurz: Irgendwann findet sich eine Paartherapeutin im Dorf ein. Diese mag eigentlich niemand so recht leiden, schon gar nicht das Paar, also verschwindet sie wieder. Keiner im Dorf vermisst sie, auch der Zuschauer nicht. Aber leider verschwindet mit ihr auch Hilfsarbeiter Bernd. Das Problem: Alle im Dorf vermissen Bernd. Also kommt Bernd einfach wieder und kauft sich ein eigenes Haus im Dorf. Man wird halt sehen, wie es sich entwickelt.
Man merkt es Lola Randl an, wie intensiv sie über Menschen, Beziehungen und die mit ihnen verbundene Umwelt nachdenkt. Es wird reflektiert, aber nie verurteilt oder über etwas gerichtet. Alles hat seinen Platz und bekommt seine liebevolle und selbstironische Daseinsberechtigung. Sie wollte, dass nicht nur sie und ihr Umfeld, sondern auch der Film sich frei entwickeln kann – das sagt sie später, nach der Filmvorführung in der Gesprächsrunde. Der Film hat in einem Jahr Drehzeit ein Eigenleben entwickelt und ein funktionierendes System gefunden. Damit trifft er nicht nur genau den zeitgemäßen Ton einer neuen Bewegung in der sich verändernden Gesellschaft, sondern spiegelt auch schön die lebhafte Dynamik des Charakters von Lola Randl wider. Viele Funken von ihrem eigenen Charme springen bei ihrem Werk in das Publikum über und wir beobachten gespannt die gesellschaftlichen Bewegungen hin in die Dörfer, und warten auf die nächsten Kapitel – und folgen Lola Randls Blick auf das fleißige Gewusel im Bienenvolk!