In Swiebodzin (Polen) steht ein 33 Meter hoher Jesus. Ein Symbol der religiösen Verehrung, ganz klar. Aber auch ein Statement, das einer altbewährten Logik folgt: Wer den größten (Jesus, natürlich) hat, ist der Katholischste. Also baute man hier 2010 die größte Christusstatue der Welt und hat folglich gegen Brasilien und Mexico im Katholischsein gewonnen. Alles dank der Bewohner der Kleinstadt, die das 1,5-Millionen-Euro-Projekt finanziert haben. Die Polen liefern eine hausgemachte Gesellschaftssatire, die sich der bissigste Filmemacher auch nicht besser ausdenken kann. Der Spielfilm MUG begibt sich in die polnische Provinz, zum Bau des Monuments.

Ah ja, ein Film mit einem riesigen betonierten Art-Deco-Pimmel im Zentrum. Spannend. Das wird sicher eine gemeine, aber auch liebevolle Satire über Religion und Doppelmoral. Aber eigentlich geht es ja um Jacek. Der ist Metal Boy und damit ein richtiger Exot in seinem Dorf. Ah, es geht also auch um Identität, und darum sich fremd zu fühlen in einer reaktionären Gemeinde. Klingt gut. Außerdem verliebt sich Jacek in ein Punk Girl. Also geht es auch um die Liebe. Mal sehen. Dann hat Jacek einen Unfall. Krass! Und bekommt ein neues Gesicht transplantiert. Er wird von Mutter und Freundin verstoßen. Irgendwas mit Exorzismus. Und wird dann noch zur nationalen Berühmtheit. OK, jetzt reicht’s aber echt. Das Drehbuch ist in etwa so entstanden, stelle ich mir vor, wie das Brainstorming zu SHARKNADO 4: „Also ähm… Haie! Ja! Und, passt auf: die sind in Tornados! Leute, ich hab’s. Und das Ganze spielt dann: im Weltall!“

Und dann muss man noch mit der Schärfe und dem Fokus rumspielen, um, also weil … ja, das ist schwer zu sagen, sieht halt erstmal interessant aus. Das macht der Film so, man denkt: sieht erstmal interessant aus. Langsam bekommt man aber den Eindruck, trotz dieser tollen Kamera und den unzähligen Provokationen, dass da unter der Oberfläche nichts weiter ist, message-wise. Als Festivaleröffnung ein Knall. Der hallt aber nicht nach.

Eigentlich ist das scheinbar Ausgeflippte plump, denn etwas Neues erfahren wir nicht. Leute sind doof und oberflächlich, das Gesundheitssystem ist unfair und in polnischen Dorfkneipen läuft Eurodance-Mucke. Diese Stereotype kannten wir schon vor dem Film. Ja, als Satire macht MUG das natürlich mit Absicht, aber so penetrant, dass keinerlei Erkenntnis, nur noch purer Zynismus bleibt.

Wenn einen das nicht stört, umso besser. Man kann ablachen über einen Priester-geilt-sich-an-Beichte-auf-Klamauk, den Mel Brooks so schon vor 40 Jahren perfektioniert hat, gleichzeitig aber das Gefühl haben, sich etwas Anspruchsvolles zu geben, weil: ist ja gesellschaftskritisch. Ist aber eben auch ein bisschen pseudo. Eigentlich Krawall um des Krawall Willens: Als Film alles bieten wollen, aber wenig dahinter haben. Vielleicht unterscheidet sich MUG in seinem Anspruch, richtig auffällig zu sein gar nicht so viel vom Monster-Christus in Swiebodzin. Außer, dass der wenigstens offene Arme hat.

von Emeli Glaser

MUG hat das 18. GoEast Festival eröffnet und lief dort im Wettbewerb außer Konkurrenz.