„Die Augen des Engels“ von Michael Winterbottom („The Killer Inside Me“) ist ein Film, der lose auf den Geschehnissen um die Amerikanerin Amanda Knox basiert, die über sieben Jahre lang mit dem Mord an einer Austauschstudentin in Italien belastet wurde. Erst im März diesen Jahres wurde sie freigesprochen.
Der Thriller wartet mit einer namentlich hochkarätigen Besetzung auf, so besetzen Daniel Brühl und Kate Beckinsale die Hauptrollen. Außerdem gibt das britische Model Cara Delevingne als Austauschstudentin ihr Spielfilmdebüt. Die Einordnung in ein Genre ist allerdings nicht unproblematisch – dazu später mehr.

Der Regisseur Thomas Lang (Daniel Brühl) sucht nach Inspiration für einen neuen Film und findet diese im Prozess gegen die Amerikanerin Jessica Fuller (Genevieve Gaunt), die ihre Mitbewohnerin, die britische Austauschstudentin Elizabeth Pryce (Sai Bennett), umgebracht haben soll.
Dazu reist Lang ins italiensche Siena und trifft sich dort mit der Journalistin Simone Ford (Kate Beckinsale), um mit Informationen zum Fall betraut zu werden.
Zwischen den beiden entwickelt sich eine Liebesbeziehung und für Thomas Lang geht es schon bald um viel mehr als die Recherche zum Mordfall.

Durch sie lernt er Edoardo (Valerio Mastandrea) kennen, der einiges über den Mord zu wissen scheint, das der Öffentlichkeit bisher verborgen blieb.
Er beobachtet das Leben in Siena und beginnt damit, am Drehbuch für einen neuen Film zu schreiben.
Dabei blickt er in eigene Abgründe und wird mit der eigenen Lebenssituation konfrontiert. Seine Tochter Bea (Ava Acres), von der er getrennt lebt, erscheint ihm immer wieder im Traum und weckt Schuldgefühle.
Ein Ventil für diese findet er in der jungen britischen Studentin Melanie (Cara Delevingne), mit der er durch ihren und seinen ehemaligen Wohnort London schnell ins Gespräch kommt und eine freundschaftliche Beziehung aufbauen kann.
Durch diese kann er sein scheinbares Versagen in der Vaterrolle etwas kompensieren, jedoch flüchtet er sich oft in exzessiven Drogenkonsum.

Bisher wurde der Fall Amanda Knox durch die amerikanische Serie „Amanda Knox: Murder on Trial in Italy“ (Lifetime, 2011) und Dokumentationen filmisch behandelt.
„Die Augen des Engels“ ist der erste Spielfilm, der den mysteriösen Mordfall behandelt.
In oftmals dunklen Umgebungen und kühlen Bildern dokumentiert Michael Winterbottom den Niedergang des fiktiven Regisseurs Thomas Lang, der vom Prozess um Jessica Fuller besessen zu sein scheint.

Daniel Brühl („Good Bye, Lenin!“) als eben dieser wirkt mit zunehmender Laufzeit des Films fehl am Platz – so nimmt man dem deutschen Schauspieler mit den treuherzigen Augen kaum den Werdegang zum skrupellosen Badass ab, der seine Sorgen mit Kokain und viel Alkohol bekämpft, sowie eine leidenschaftliche Affäre mit der Journalistin Simone Ford führt.
Überhaupt stimmt die Chemie zwischen Brühl und Beckinsale als Liebhabern nicht.
Anders sieht es mit Melanie, verkörpert von Cara Delevingne, aus.
So wie die Entwicklung des Thomas Lang dargestellt wird, ist es erstaunlich, dass die Beziehung zu der hübschen Studentin trotz eines gemeinsamen Ausflugs auf einem freundschaftlichen Niveau ohne Intimität bleibt.

Stand der Mordprozess, von dem Thomas Lang sich Inspiration erhofft, zu Beginn des Films im Vordergrund, fokussiert Winterbottom zunehmend die psychische Verfassung der Hauptfigur, die sich bisweilen in Halluzinationen voller Monster äußert, die einem Horrorfilm, der auf Tele 5 ausgestrahlt wird, gerecht werden würden.
So kommt die Aufgabe, „Die Augen des Engels“ einem filmischen Genre zuzuordnen, einer ständigen Gratwanderung gleich. Oberflächlich betrachtet ein Thriller, bedient sich der Film oftmals Elementen, die eher einem Drama oder gar dem Genre Horror entsprächen.

Michael Winterbottom gelingt es mit „Die Augen des Engels“, zu verschleiern, welche Dämonen Thomas Lang antreiben und wie sich die Handlung entwickeln wird. Diese anspruchsvolle Machart bleibt bis zum Ende des Films bestehen und lässt das Publikum mit einem Gefühl der Ungewissheit zurück. Dieser Stärke steht die Besetzung Daniel Brühls als Thomas Lang gegenüber, dem die Rolle nicht auf den Leib geschneidert wurde.

„Die Augen des Engels“ läuft seit dem 21. Mai in deutschen Kinos.

Bild: © CONCORDE FILMVERLEIH