Wir schreiben das Jahr 1871. Zwischen den Königshäusern Mitteleuropas wird der Deutsch-Französische Krieg ausgetragen, was eine Gruppe Revolutionärer als Chance nutzt, in Paris am 18. März eine sozialistische Räteregierung, die sogenannte Commune de Paris zu installieren. Nur drei Tage zuvor wurde auf der anderen Seite des Rheins das Strafgesetzbuch des Deutschen Reichs erlassen. Doch während die Commune de Paris nach nur zehn Tagen blutig endet, ist das erwähnte Strafgesetzbuch in wesentlichen Teilen bis heute in Kraft.

Das ist der Punkt, an dem die irrwitzige Slapstickkomödie L‘état et moi von Max Linz einsetzt. Noch in derselben Besprechung, in der der preußische König die letzten Korrekturen der neuen Gesetzestexte vorgebracht hat, setzt er den Komponisten Hans List, gespielt von Sophie Rois, wegen seiner Verbindungen zu besagter Commune ganz oben auf die Fahndungsliste. Die ist der Beginn eines Jahrhunderte währendes Katz-und-Maus-Spiels zwischen List und der deutschen Justiz. Jahrhunderte? Ganz recht, denn nachdem List das erste Mal aufgegriffen und an die Wand gestellt wird, findet ein plötzlicher Zeitsprung statt. Die nächste Szene zeigt List im Stadtschloss Berlin als Wachsfigur, die auf unerklärte Weise zum Leben erwacht. 150 Jahre später hat der vergessene, romantische Komponist, dessen Opernfragment über die Commune de Paris aktuell in der Staatsoper einstudiert wird, mit demselben Strafrecht zu kämpfen wie schon damals – inzwischen vertreten durch die Richterin und Opernliebhaberin Josephine Praetorius-Camusot, ebenfalls gespielt von Sophie Rois.

Auf diesem Fundament, das in sich schon eine gewisse Absurdität birgt, baut Max Linz nun sein verworrenes Konstrukt aus manchmal glücklichen, jedoch meist unglücklichen Zufällen, Verwechslungen und Ränkeschmiede, das eine recht komplexe Kritik an der Geschichte des deutschen Strafrechts aufzeigt, zum Beispiel symbolisiert durch die ständig wechselnden Uniformen des Polizisten, der mal im modernen Blau, mal im etwas überholten Grün und bei schlechtem Wetter gerne auch mit Pickelhaube im Einsatz ist. Die Problematik wird schließlich von Rechtsreferendar Yushi Lewis, der als Erstes erkennt, dass es sich bei Hans List um einen wahrhaftigen Zeitreisenden handeln muss, auf den Punkt gebracht, als er sagt: „Wenn wir die Gespenster der Vergangenheit loswerden wollen, brauchen wir einen neuen Text.“

Diese intelligent verarbeitete Systemkritik, die aber das deutsche Rechtssystem nicht nur durch und durch kritisiert, gepaart mit stark komplexitätsreduzierten Grundsätzen der sozialistischen Ideen in einem solch absurden Setting klingen zunächst eigentlich recht vielversprechend. Die Umsetzung dieser Idee kann von der Warte dieses Kritikers aus allerdings leider nicht wirklich als geglückt bezeichnet werden. Max Linz ist den ganzen Film über stets um Komik bemüht. Die komplette Geschichte ist durchzogen von stark überzogenen Slapstickeinlagen, die jedoch fast alle viel zu erzwungen wirken, um tatsächlich als lustig wahrgenommen zu werden. Gleiches gilt für die sich permanent wiederholenden Wortspielereien wie der Name des Staatsanwaltes Donnerstrunkhausen, der konsequent aufdringlich falsch ausgesprochen wird, oder das Wort „Komponist“, das wirklich jedes einzelne Mal als „Kommunist“ verstanden wird. Dazu kommt ein völlig übertriebener, an ein Laientheater erinnernder Schauspielstil, der zwar vom Regisseur ganz gewiss beabsichtigt war, den man aber mögen muss. Und das alles vor einer Kulisse, der man meist leider allzu sehr ansieht, dass das Budget des Films kein großes war. All das in Kombination bereitet über weite Strecken Unbehagen in einem Maß, das es schwer macht, den Film zu ertragen, was in Anbetracht der raffinierten Hintergründigkeit der einzigartigen Geschichte mit einem Wort schlicht schade ist.

 – Frederik Knoll