Der Undercover Cop Robert Demant (Timocin Ziegler) soll über die inszenierte Beziehung zu der kürzlich aus dem Gefängnis entlassenen Leni Malinowski (Thea Ehre) das Vertrauen des Großdealers Victor Arth (Michael Sideris) gewinnen. Dabei offenbart die gespielte Liebe nach und nach eine reale Dimension, eine gemeinsame Geschichte und einen anhaltenden Konflikt. Robert ist schwul, Leni eine Transfrau. Für Robert ist das ein Problem. Er fühlt sich von ihr gleichzeitig angezogen und abgestoßen. Rolle und Realität verschmelzen, als – um die gegenwärtige Täuschung aufrechtzuerhalten – eine vergangene Wahrheit offenbart wird. Am Ende ist es ausgerechnet der Beschattete, der den Impuls zur Konfrontation mit den inneren Konflikten liefert und versucht, Licht in die Nacht gewordene Liebe des gegensätzlichen Paares zu bringen.

Wie schon in seinem Debütfilm „Milchwald“ (2003), der Motive traditioneller Märchenerzählungen mit dem modernen Setting eines Familiendramas verband, wagt Hochhäusler auch in seinem neusten Werk ein filmisches Experiment. In „Bis ans Ende der Nacht“ (2023) erzählt er eine melodramatische Kriminalgeschichte, die den klassischen Mustern des Film-Noir-Genres folgt und versucht, diese durch das Integrieren eines modernen Diskurses anzureichern. Die Performanz von Identität, von sozialen Rollen und von Geschlecht ist eine Kernthematik des Films. Diese wird verwoben mit dem Rollenspiel und den immer verworreneren interpersonellen Verstrickungen einer verdeckten Ermittlung. Dabei gibt sich der Umgang mit trans* Identitäten zwar dezidiert respektvoll – schon der Vorspann präsentiert stolz die Mitarbeit einer trans* Drehbuchberatung und die schauspielerische Leistung Thea Ehres ist zweifellos ein Highlight des Films –, dennoch bleibt eine deutlich spürbare Distanz. Das Interesse an den Umständen queerer Existenzen scheint sich in erster Linie auf ihr Potenzial zur Parallelisierung mit der strukturellen Ästhetik des Genres zu beschränken und will den eingestaubten filmischen Traditionen zu bemüht Progressivität bescheinigen.

Hochhäusler versucht angestrengt, das Fassbinder-Flair der Siebzigerjahre einzufangen, beschwört dabei aber auch die Kälte und die konservativen Ressentiments der Zeit herauf. Insbesondere das grenzüberschreitende und transphobe Verhalten Roberts, der die Transition Lenis nicht akzeptieren kann und noch in „den Typ“ verliebt ist, wirken wie repräsentativ für eine unzeitgemäße Herangehensweise, die noch nicht verstanden zu haben scheint, dass eine Transfrau auch schon vor der Transition eine Frau war. In weiten Teilen fühlt sich dieser Film so queer an wie eine Steueridentifikationsnummer.

„Bis ans Ende der Nacht“ hat nur sehr wenig mit dem queeren Kino Gregg Arakis oder Xavier Dolans zu tun und versprüht in erster Linie deutsche Fernsehfilm-Vibes. Es stellt sich also die Frage: Für wen ist dieser Film? Muss sich ein Film mit queeren Protagonist*innen zwangsläufig an ein queeres Publikum richten? Was bringt das Senden fortschrittlicher Inhalte in eine Echokammer hinein, deren eingeweihte Insassen ohnehin alle bereits der gleichen Meinung sind? Soll Robert mit seiner unzeitgemäßen Geisteshaltung vielleicht als subversive Identifikationsfigur und Projektionsfläche für ein konservatives Tatort-Publikum dienen, das im Verlauf des Films erzogen werden soll? Hat Hochhäusler die schlussendlich emanzipatorische Geschichte Lenis als trojanisches Pferd im Abendprogramm einer gutbürgerlichen Boomer-Generation konzipiert? Werden dadurch nicht queere Identitäten für den Paternalismus eines elitären Filmemachers instrumentalisiert?

Die Frage der Intention bleibt offen, die Debatte über das Reproduzieren transphober Inhalte, egal zu welchem Zweck, berechtigt. „Bis ans Ende der Nacht“ will das Aufbrechen festgeschriebener Kategorien, das Überscheiten von Grenzen, die Fluidität von sozialen Rollen und von Geschlecht verhandeln. Am Ende bleibt der Film dabei im Radius seiner Aussagekraft dennoch eingeschränkt durch die Fußfessel der Traditionen seines Genres und fügt dem Diskurs, in den er sich einschreibt, wenig Neues hinzu.