Vokale sind die klanggebenden Laute in vielen Sprachen. Sie bilden das Versmaß, beschreiben die Höhen und Tiefen und vermitteln uns, was gerade betont werden muss und was unwichtig ist. Nicolette Krebitz‘ A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe nimmt das A als Ausgangspunkt, um eine unmöglich scheinende Liebesgeschichte zu erzählen.

Anna (Sophie Rois) ist eine Schauspielerin, die den Zenit ihrer Karriere offenbar schon hinter sich hat. Zu allem Überfluss wird sie nach einem schlechten Tag auch noch auf offener Straße überfallen. Adrian (Milan Herms) ist ein kleinkrimineller Jugendlicher aus prekären Verhältnissen und kämpft mit einer Sprachstörung. Anna entscheidet sich, im Auftrag eines Arztes Sprachunterricht zu geben und findet sich dabei dem Räuber ihres Portemonnaies gegenüber. Auf nahezu magische Weise verlieben sich Opfer und Täter, nun Lehrerin und Schüler, ineinander. Sie folgen den Aufs und Abs, dem Schreien und Nuscheln, den Explosionen und dem Summen, die die Sprache und das Leben so mit sich bringen.

Optisch ist der Film bewundernswert. Die Kostüme unterstützen die Eigenschaften der Protagonisten und spiegeln ihre Verwandlung und die Nähe ihrer Beziehung wider. Das Szenenbild von Annas Wohnung zeigt eine warme, wenn auch minimalistisch eingerichtete, moderne Version vom Hausfrauenstil der 60er Jahre, die die beiden Liebenden allein lässt und sie so in den Mittelpunkt zueinander rückt. Freunde der Farb- und Requisitensymbolik werden im Film auf ihre Kosten kommen. Vögel und Blumen bebildern den Status der Beziehung auf zweiter Ebene – wenn auch etwas simpel.

Narrativ leitet uns A E I O U mit ein wenig Witz durch eine Reihe an zufällig wirkenden Ereignissen bis hin zum Höhepunkt der Handlung. Die Dramaturgie gleicht dabei eher Wellen als einem Bogen, was der Spannung aber keinen Abbruch tut. Viel mehr fragt man sich, in was für eine Herausforderung sich die beiden als nächstes manövrieren. Einzig der Einsatz der Erzählerstimme wirkt hierbei störend. Sophie Rois‘ Stimme kommentiert die Handlung aus einer allwissenden Position heraus und spricht über die beiden Protagonisten in der dritten Person. So entsteht eine seltsame Trennung von Anna in der Handlung und Anna als Erzählerin, deren Bedeutung allerdings bis zum Ende unklar bleibt. Insgesamt war die Stimme aus dem Off nur an wenigen Stellen eine Bereicherung: An einigen Stellen übererklärte sie die Situation, anstatt die Bilder erzählen zu lassen, an anderen ließ sie das Publikum mit Fragen zum aktuellen Geschehen allein.

Auch die Handlungsmotive der Hauptfiguren sind oft nicht nachvollziehbar, wobei Adrian mit seiner Unsicherheit und seinen Bedürfnis nach Liebe immer noch etwas verständlicher wegkommt als Anna. Als Frau Anfang Zwanzig blieb mir ihre Gefühls- und Gedankenwelt unerschlossen. Was bewegt sie, sich in einen so viel jüngeren Mann zu verlieben – einen, den sie selbst als „fast noch ein Kind“ beschreibt? In diesen Momenten fällt es schwer, nicht in Küchenpsychologie zu verfallen und sich die Beziehung als reines Konstrukt ausgelebter Komplexe (Gedanken wie: ‚Anna will sich durch Adrian wieder jung fühlen‘ oder ‚Adrian als Waise lebt einen Mutterkomplex aus‘) zu erklären. Denn ich wurde das Gefühl nicht los, dass Nicolette Krebitz genau diese Geschichte eben nicht erzählen will; dass ich einfach noch zu jung oder zu anders bin, um es zu verstehen; dass es einfach nur um eine Liebesgeschichte geht, in der Unterschiede nicht wichtig sind. Und vielleicht ist ja genau da der Punkt: Macht Liebe nicht bekanntlich blind?

Diese und andere Fragen wirft A E I O U auf: Fragen zu Altersunterschieden und Abhängigkeiten in einer romantischen Beziehung, aber auch die Problematik des Älterwerdens im Berufsbild von Schauspielerinnen. Das Kino verlasse ich mit gemischten Gefühlen: berührt von der bilderbuchhaften Liebesgeschichte, aber etwas verwirrt von den vielen Aspekten, die dabei mitschwingen.

Tabea Stenner