Lake Bells „IN A WORLD…“

Regie, Drehbuch, Produktion: Lake Bell

Schon 2008 begann Regisseurin und Schauspielerin Lake Bell das Drehbuch zu dem 93- minütigen Spielfilm „In a world…“, im Todesjahr einer der glänzenden Größen des Trailer Sub-Genres: Don „Thunder Throat“ Lafontaine hatte jahrelang das Monopol der Voice Over Stimmen inne. Er war die väterliche Stimme, die der Welt Vertrauen in das Produkt des Films einhauchte. Tatsächlich werden seit Dekaden die immer gleichen Bässe engagiert, um die Voice Over zu allen in Hollywood produzierten Trailern zu sprechen. Im einem berühmten Trailer zu Jerry Seinfelds Film „Comedian“ von 2002 spricht Hal Douglas mit seiner aus unzähligen Blockbustertrailern geläufigen Stimme die magischen Worte „In a world…“ – und wird dafür aus dem Tonstudio geworfen: „It’s not that kind a movie.“

Dieses Jahr feiert „In a world…“ Deutschlandpremiere auf dem LICHTER Filmfest. Wieder koinzidiert die Komödie mit dem Todesfall eines stimmgewaltigen Mannes: im selben Monat verstarb Hal Douglas.
Die Idee von „In a world…“ geht weiter als der „Comedian“ Trailer und gewinnt an gesellschaftlicher Relevanz: Hier wird nicht nur die Frage aufgeworfen, warum es einige wenige sind, die mit ihren Stimmen die Welt beschallen. „In a world…“ will wissen: Warum sind es nach wie vor ausschließlich männliche Stimmen, die die Trailer zu den großen Formaten sprechen?
Im Film gibt Sam Sotto (Fred Melamed), ein Möchtegern Lafontaine, seiner Tochter und Protagonistin Carol die Antwort: „The industry does not crave a female sound.” Über die Spanne des Films hinweg wird diese Ungerechtigkeit angeprangert. Carol, gespielt von der Regisseurin Bell selbst, schlägt sich als Stimmcoach durch und kämpft mit großem Talent um den Durchbruch als Filmsprecherin.
Dabei ist Carol die seit langem sympathischste, witzigste und authentischste Leinwandheldin: lebhaft und kindisch, loyal gegenüber den Menschen, die ihr nahe stehen, Mode interessiert sie nicht. Sie wohnt auf der Couch ihrer verheirateten Schwester. Wir sehen ihr als ungeschminkter Nerd beim Telefonieren auf dem Klo zu.
Genau deshalb kontrastiert sie so gut zu den anderen dargestellten weiblichen Charakteren, die allesamt in High pitch-Tönen vor sich hin quietschen. Und plappern und nicken. So auch die Freundin des Vaters Sam (Alexandra Holden), die im gleichen Alter wie die Schwestern Carol und Dani (Michaela Watkins) ist. Sam wiederum wird als der Patriarch dargestellt, dessen Stimme unsere Trailer- Landschaft prägt.
Die weiblichen und männlichen Stimmen an komplett entgegengesetzten Polen des menschlichen Spektrums sind das wichtigste Stilmittel des Films. Aber „In a world…“ beschränkt sich nicht auf das Schwarzweißmalen von Geschlechterkonstellationen. Im Gegenteil: Schwester Dani führt eine Ehe, die auf gegenseitiger Wertschätzung beruht. Und auch Carol soll sich im Laufe des Films zu ihrem Coach (Demetri Martin) hingezogen fühlen. Der Film bringt den Generationssprung zum Ausdruck, der im rückständigen Alltag und im Alltag der Medien im Speziellen noch keineswegs überall sichtbar ist. Gerade in der Filmbranche sind es nach wie vor die Frauen, die absolut unterrepräsentiert sind – ob vor oder hinter der Kamera. Studien zum Hollywoodjahr 2013 beweisen beispielsweise, dass Darstellerinnen lediglich 30% aller Sprechrollen erhalten.
Oscar- Preisträgerin Cate Blanchett verwies in ihrer Rede auf dieses Problem: “Those of us in the industry who are still foolishly clinging to the idea that female films with women at the center are niche experiences – they are not. Audiences want to see them and, in fact, they earn money. The world is round, people.”
Eines der Highlights von „In a world…“ ist der eigens produzierte Trailer zu einem fiktiven Fantasy – Trilogie Format namens „The Amazon Games“. Die Anspielung auf „The Hunger Games“ ist augenfällig. Persifliert wird die Darstellung von starken weiblichen Charakteren: ein Trupp schwer bewaffneter Amazonen rennt durch steinige Landschaft und schreit triumphale Siegesparolen.
Der Appell des Films beschränkt sich also nicht nur auf die Vermarktung von Filmen, sondern kritisiert auch deren sexistische Inhalte. „In a world…“ ist also generell als Kritik an der Unterrepräsentation von Frauen im Filmgeschäft zu sehen. Melissa Disney zu „Gone in 60 Seconds“ (2000) soll nicht die bisher einzige weibliche Stimme auf einem Trailer Soundtrack bleiben. Ganz im Sinne der für ihre akademischen Schriften zur „Queer- Theory“ und zu den Geschlechterkonstruktionen bekannten Judith Butler, eröffnet am Ende des Films die fiktive Regisseurin der „Amazon Games“ der begeisterten Carol: „Everyone in the world watches movietrailers. And that is power. Your voice is gonna be the one to inspire every girl who hears it.“

„In a world…“ ist mehr als ein Film über seine eigene Branche. „In a world…“ trifft den Nerv der Zeit mit einem Anliegen von enormer Wichtigkeit. Und ist dabei auch noch zum Schreien komisch.