The Wasteland ist das Spielfilmdebut des iranischen Regisseurs Ahmad Bahrami. Bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig erhielt er 2020 den Orrizonti Award für den Besten Film. Der vollständig in schwarz-weiß gedrehte Film erzählt die Geschichte einer Backsteinfabrik, die kurz vor dem Bankrott steht. In einer frühen Szene kündigt der Boss zum ersten Mal vor den versammelten Angestellten und ihren Familien die bevorstehende Schließung an: Backsteine würden sich nicht mehr zu produzieren lohnen, da die meisten mittlerweile auf Zementsteine umgesetzt haben. Nachdem es ehemals fünfzig Backsteinfabriken in der Region gab, seien jetzt nur noch zwei übrig. Dieser Moment wird sich im Verlauf des Films noch mehrere Male aus leicht unterschiedlicher Perspektive abspielen: Die Handlung ist nicht linear, sondern zeigt nacheinander Ausschnitte aus den Tagesabläufen einzelner Personen, die durch den Verlust ihrer Arbeit in Existenznot geraten. Der Film spielt hier sehr bewusst mit Wiederholungen: Eine Figur hört die Ankündigung, arbeitet, führt ein Gespräch mit dem Boss unter vier Augen, berät sich mit ihrer Familie. All dies sehen wir viermal. Das langsame Erzähltempo und der gezielte Einsatz sich wiederholender visueller Stilmittel erlauben dem Publikum, die Gemeinsamkeiten, aber auch die feinen Unterschiede zwischen den Einzelschicksalen gründlich zu observieren.

Alle hoffen, dass der Boss ihnen bis zum Monatsende den Lohn auszahlt, den er ihnen schuldet. Shahu erhofft, dass der Boss mithilfe seiner einflussreichen Freunde das bevorstehende Todesurteil seines Vaters umkehrt. Ekrahim hofft, dass der Boss es ihm ermöglicht, seine Geliebte Gohar zu heiraten. Und Sarvar erhofft, dass der Boss ihrem Sohn einen Ausweis besorgt. Dass die durch ihre Situation erzwungene Hoffnung der Angestellten in die Macht und die Güte ihres Bosses (der von sich behauptet, alles, was im Betrieb passiert, hören zu können) eine fast schon religiöse Natur hat, ist dem Film durchaus bewusst. Letztendlich bleibt den Angestellten nichts weiteres übrig, als gemeinsam zu Fuß durch die Wüste zu ziehen, ohne Klarheit, ob ihre Hoffnungen sich jemals erfüllen werden. Der loyale Lotfollah, der zuvor als Mittler zwischen dem Boss und den Angestellten diente, bleibt alleine in der verlassenen Fabrik zurück, nachdem der Boss ihm sämtliche Hoffnungen aus ein Leben mit seiner geliebten Sarvar nimmt. Diese hat seit Jahren eine Affäre mit dem Boss, der nicht bereit ist, sie gehen zu lassen und zu Lotfollah meint, dieser solle sich stattdessen eine Frau suchen, die halb so alt ist wie er. Neben der sozioökonomischen Kritik lässt sich im Film auch eine leider weniger stark formulierte Kritik an patriarchalen Machtverhältnissen erkennen.

Die Kamera des Films ist meist statisch, gelegentlich gleitet sie langsam, stets eine mal größere, mal kleinere Distanz wahrend, am Geschehen vorbei. Es gibt keinerlei Musik, gelegentlich sind nur die Geräusche des vorbeiziehenden Windes und von knarrenden Metalltüren zu hören. Das Resultat ist ein Gefühl von Leere, welches sich mit dem schockierenden, tragischen Ende noch verstärkt. Der karge Ansatz überflutet Zuschauer*innen nicht mit Stimuli, sondern bietet ihnen Platz, über das Kunstwerk nachzudenken. Ein beeindruckendes Filmdebut, das für seine Raffinesse und Effektivität zu loben ist.

Reviewed by: Noel Rhiel