Es beginnt mit zwei Gesichtern. Durch die Kamera getrennt und allein auf der Leinwand, so sprechen sie doch zueinander. Der eine will Nähe, der andere stößt weg und scheint selbst nicht zu wissen, was er will. Boris und Jonathan sind seit acht Jahren ein Paar. Sie wohnen zusammen in einer dieser schönen minimalistischen Berliner Altbauwohnungen und die Einrichtung erzählt von ihrem Leben als Künstlerpaar. Jonathan ist Schriftsteller und arbeitet an seinem neuen Roman, der von Abschied und Trennung handelt. Boris, Schauspieler, sieht sich in den Proben für eine Filmproduktion mit einer Dreiecksbeziehung konfrontiert, in welcher Spiel und Realität nach und nach verschwimmen.

Die kühlen, oft statischen Bilder zeigen Menschen, die sich mit Abschieden auseinandersetzen. Dies kann im Fall von Jonathans Schwester der Abschied von der Karriere und für ihre Tochter der von der eigenen Kindheit sein, oder für Boris und Jonathan: vielleicht der Abschied von einer geliebten Person.

Wie kann man von Trennung und Trauer erzählen, wenn nicht durch ein Nebeneinander? Gefühle sind nicht linear, sie sind mal laut, mal leise und immer ambivalent. Was sich in den einzelnen Szenen von Fabian Stumms Regiedebüt „Knochen und Namen“ zeigt, lässt sich als Bruchstücke eines Mosaiks zu einem Bild zusammenfügen, welches es erlaubt, diese Ambivalenzen zu begreifen.

Der Film selbst spielt dabei fortwährend mit einer einzigartigen Zweideutigkeit. Einerseits wird den Zuschauer:innen von Beginn an und immer wieder das Vorgehen des Films erklärt, doch ist dies andererseits so verwoben in unscheinbare Elemente und Metaerzählungen, dass es sich dem größeren Zusammenhang und der Entschlüsselung zunächst entzieht.  Nie kann man sich vollends sicher sein, was Metakommentar auf die Geschichte und was künstlerischer Ausdruck ist. Steht das Paar in Jonathans Roman tatsächlich als Sinnbild für seine Beziehung zu Boris und ist damit Ausdruck einer baldigen Trennung? Oder zeigt es den künstlerischen Verarbeitungsprozess von persönlichen Ängsten und Wünschen? Spielt Boris in den Proben die autobiografische Geschichte der Regisseurin nach oder ist es doch eine Parabel auf seine eigene Beziehung? Verstärkt wird die vielleicht etwas selbstreferenzielle Metaebene des Films dann noch durch Fabian Stumm, dem Regisseur, der zugleich aber auch Boris spielt und das Drehbuch geschrieben hat.

Verbunden werden die Episoden dabei oft durch Musik. Die klassischen Stücke lassen kurz an Ingmar Bergmans „Szenen einer Ehe“ denken, doch ist es viel mehr der trockene Humor eines François Truffaut, der die Szenen bestimmt und vorantreibt. Denn eines muss hervorgehoben werden: „Knochen und Namen“ ist durchsetzt von einem wunderbar liebevollen und feinsinnigen Witz, der sich jedoch gleichzeitig traut, schon in der zweiten Szene, mit einem full frontal die vierte Wand zu durchbrechen.

Gerade in der Widerständigkeit des Narrativen und den Uneindeutigkeiten scheint sich dabei ein Möglichkeitsraum zu bilden, an dem leider zu viele deutsche Filme oft scheitern. Ideenstränge werden hier verknüpft, ohne dabei verkopft und statisch zu wirken. Die Dialoge sind in ihrem Spiel manchmal so gekünstelt, dass gerade in ihrer Artifizialität etwas zutiefst Authentisches durchschimmert.  Awkwardness wird ausgehalten, die Pointen sitzen und es darf auch mal kitschig werden. Denn die Gegensätze loten sich aus und die einzelnen Szenen fügen sich zusammen.  Der Film zeigt das, was im Titel unerwähnt bleibt. Ist der Mensch nach dem Tod nur Knochen und Namen, spiegeln sich in den einzelnen Mosaikepisoden die Elemente, die das Leben halt auch ausmachen und oft einfach zu benennen, aber schwer zu begreifen sind.

Es endet morgens an einem Esstisch in Berlin. Zwei Männer sitzen sich auf wackligen Holzstühlen in einer schönen minimalistischen Wohnung gegenüber. Es war eine lange Nacht und Jonathan wird gleich aufstehen und einen Kaffee für Boris machen.