In Sexy Money portraitiert Karin Junger nigerianische Frauen auf der Suche nach Selbstbestimmung
Sexy Money – diese Worte zieren das Dekolleté einer jungen Frau. Es ist eine der Nigerianerinnen, die Karin Junger in ihrem gleichnamigen Film portraitiert. Sie alle lassen sich zu Automechanikerinnen ausbilden, in der Hoffnung, sich durch diesen Beruf eine Existenz aufbauen zu können. Um nicht mehr „Männer suchen zu müssen, die für sie zahlen“. Genauer heißt das: sich nicht mehr prostituieren zu müssen, um zu überleben. In Schwarzweiß gehalten, frontal gefilmt, erscheinen die Frauen in Interviewsequenzen, in denen sie im Detail ihre Geschichte der Zwangsprostitution und ihre Rückkehr aus Europa zurück in die Heimat erzählen.
Anschließend rappen die Frauen, die Stimmung der Bilder schlägt ins Hoffnungsvolle um. Gesang ist für den Film ein Leitmotiv, eine Art Reflexion der Frauen über ihr Leben. Man könnte meinen, es geht der Regisseurin darum, von starken Frauen zu erzählen, die Leidvolles erlebt haben und sich doch nicht unterkriegen lassen wollen. Auch wenn vieles auf diese „feministische“ Lesart hindeutet, der Film weist doch in eine andere Richtung. In eine pessimistischere.
Die Chefin der LMI (Lady Mechanic Initiative), eine füllige, dominante Frau, hält einen Appell an ihre Schülerinnen im Sitzen, während sie von einem Mann frisiert wird. Die „Maam“ ist, ohne Frage, herrisch. Sie ist keine Wohltäterin, den Lohn der Frauen behält sie ein. Womit auch sie sich in das von Hierarchie und Macht bestimmte System eingliedert, ein System, in dem die Frau unterdrückt wird. Zweite große Hoffnungsträgerin ist eine berühmte Nollywood-Schauspielerin, ein Star der lokalen Videoindustrie. Leider ist auch ihr Support kein nachhaltiger. Sie setzt sich nicht für ihren Schützling ein, verspottet die junge Mutter, eine der Hauptfiguren der Doku, als diese um Ermäßigung für die Gebühren einer Schauspielschule bittet. Bildung ist ein Supermarkt, kein Bazar – „fixed prices“. Mehr noch, es stellt sich heraus: einen erträglichen Job als Automechanikerin findet keine der Frauen. Wenn es denn überhaupt Arbeit für sie gibt.
Was bleibt, ist für die Familie zu kämpfen. Einfach weiterleben und die Trauer runterschlucken. Sich in den Wellen des Meers zu verlieren. Zusammen singen, zusammen tanzen gehen. Immer mehr erfährt man vom Leid der Frauen, immer mehr erzählen sie von den Misshandlungen in ihrer Zeit als Prostituierte. „In one day, in one body. I struggle as a mother, I struggle as a hussla”. Es geht ums Überleben. Feminismus hin oder her, zumindest in dieser Dokumentation findet sich für die Frauen kein anderer Weg als zurück in die Prostitution. „Wir haben hier keine Zukunft“, erklärt eine junge Frau im Interview, sie entschließt sich, wieder nach Europa zu gehen. Zurück in die Hölle, aus der sie flüchtete. Am Ende ein Gebet, ein letztes Lied – „We stay!“
(Festivalkritik im Rahmen des LICHTER Filmfest 2015)