
„Vampire gibt’s doch nur im Kino.“ Julian Radlmaiers Blutsauger lässt uns an genau dieser Aussage zweifeln. Vampire, Geister und radikal-kapitalistische Faschismussympathisanten sind die Gruselgestalten, denen sich das Publikum im Film stellen muss.
Im einem kleinen Strandort kämpft die Gemeinschaft gegen chinesische Flöhe, deren Bisse nur die arbeitende Schicht abbekommt – angeblich aufgrund mangelnder Hygiene. Der Marx-Buchklub, der selbst Marx-kritisch zu sein scheint, hat allerdings eine andere Vermutung: Ein Vampir soll in der Gegend sein Unwesen treiben. Auch den Zuschauenden wird schnell klar, dass sich dahinter mehr verbirgt als bloßer Aberglaube.
Auf der Reise von Ljowuschka, einem ehemaligen, nun in Ungnade gefallenen Schauspieler aus Eisensteins Oktober, der versucht, Hollywood zu erreichen und sich dabei als russischer Baron ausgeben muss, begegnen wir Octavia und Jakob. Octavia ist eine reiche Erbin und maßgebliche Gesellschafterin einer Fabrik, die Salben gegen die Flohbisse herstellt und dabei den Mitarbeitern den Lohn aus der Tasche zieht. Ihr Diener aka persönlicher Assistent Jakob ist unsterblich verliebt in sie und versucht alles, um ihr näher zu kommen, obwohl sich bereits eine verworrene Liebesbeziehung zwischen ihr und Ljowuschka andeutet.
Mit dem Vampir immer im Hintergrund der Handlung lauernd, verfolgen wir den Alltag verschiedener Personen, die an ihren eigenen, persönlichen Problemen zu arbeiten haben und dennoch immer wieder miteinander kollidieren. Die hochgestochene, theatrale Sprache und das distanzierte Schauspiel verleihen der ganzen Verwirrung noch eine gute Spur Absurdität, die aber keineswegs in Albernheit mündet. Denn bei jedem Witz, bei jeder dem Publikum als lächerlich offenbarten Position des Rassismus, Elitarismus und auch Antisemitismus schwingt die Ernsthaftigkeit mit, dass diese Ansichten auch in der Realität noch vertreten werden. Längere Aufnahmen und der seltene, bewusste Einsatz von Musik geben der Geschichte viel Raum für Assoziation und Meinungsbildung – auch wenn sich der Film dadurch an einigen Stellen etwas zieht. Auch die allgemein eher groß gehaltenen Einstellungen und die wenigen Detailaufnahmen und Close-Ups verleihen der Atmosphäre eine gewisse Kühle.
Dennoch bleiben viele Fragen offen. Nichts zuletzt, was genau denn jetzt kritisiert wird. Denn auch, wenn eine politische Ausrichtung nach links klar erkennbar ist, so kriegt der Kommunismus an manchen Stellen einen Seitenhieb ab. Die westliche Abneigung gegen China wird ebenfalls nicht außen vor gelassen. Wie schnell politische Einstellungen beeinflusst und verändert werden können, sollte jedem nach Anschauen dieses Films wieder in Erinnerung gerufen worden sein.
Und so schwanke ich ein wenig hin und her. Die vielen Themen, der Humor und die Absurdität zusammen mit der Trockenheit, und die Langsamkeit gepaart mit der dicht verwobenen Geschichte, machen es mir schwer, den Film einzuordnen. So bleibe ich mit vielen Denkanstößen zurück. Empfehlenswert ist es auf jeden Fall – solang man ein wenig Durchhaltevermögen mitbringt.
– Tabea Stenner