Bekim hat sich im Krieg in einen anderen Mann verliebt. Sein Name: Nol. Seit Kriegsende hat er ihn nicht mehr gesehen. Fast 20 Jahre später, kurz vor seiner Hochzeit mit Anita, die im Kosovokrieg ihre Eltern verloren hat, taucht Nol plötzlich auf. THE MARRIAGE erzählt die Geschichte dieses Wiedersehens.

Auf den ersten Blick wirkt die Beziehung zwischen Bekim und Anita harmonisch: Man ist an dem Punkt, an dem Designs für die erste gemeinsame Küche diskutiert werden. Ältere Herren raten den beiden, Kinder bis unter die Decke zu zeugen. Die Verlobten bereiten die Hochzeit vor. Sie scheinen glücklich. Dann tritt Nol auf. Der alte Freund, der Geliebte, der seit Jahren in Frankreich lebt, sitzt plötzlich in Bekims Bar. Ab jetzt geht es im Film um die Beziehung der beiden Männer.

Bekim ist aufgewühlt. Jeder Augenkontakt zu Nol dauert etwas zu lang. Es wird Spannung aufgebaut und die drei Figuren kümmern sich um Auflösung; meistens mit Hilfe von Bier und Schnaps. Nol fordert den besoffenen Bekim auf, ihn beim Klavierspiel auf der Klarinette zu begleiten. „Nein Mann, ich habe das Ding seit Jahren nicht angefasst“, sagt der erst. Dann spielen sie doch zusammen. Offensichtlich eine CASABLANCA Referenz. Und tatsächlich: Was Ingrid Bergmann für Humphrey Bogart in CASABLANCA war, ist Nol für Bekim in THE MARRIAGE. Denn spätestens jetzt spielt er die Rolle der verhängnisvollen Miss Elsa. Obwohl Sam etwas rostig ist, spielt er das Lied noch einmal, woraufhin ein Barbesitzer von den Geistern der Vergangen eingeholt wird. „We’ll always have Paris“. Gilt das aber auch hier?

Natürlich ist der Ausgang abzusehen, alles andere wäre schlecht geschrieben. „Wenn die Serben uns nicht töten würden, ich würde immer so leben wollen.“ – „Unsere eigenen Leute würden uns, was das betrifft, auch umbringen.“ So unterhalten sich Bekim und Nol Ende der 1990er. Auch heute, 2017, hat sich an der Ausweglosigkeit ihrer Liebesbeziehung nichts geändert. Schwul zu leben bedeutet von der Familie verstoßen werden. Und dann ist noch Bekims Freundin schwanger.

THE MARRIAGE vereint zwei Themen, die im Kino gerade intensiv behandelt werden, aber so noch nicht zusammengeführt wurden: LGBT und die Aufarbeitung der Geschichte Osteuropas. Das erinnert an CALL ME BY YOUR NAME (Luca Guadagnino), eine homosexuelle Liebesgeschichte während eines unaufgeregten italienischen Sommers, die zeigt: Ein schwules Zusammensein ist keine Option. Auch nicht unter westlichen Intellektuellen in den Achtzigern. So ein Vergleich hilft vielleicht im Ansatz begreifen zu können, welchem gesellschaftlichen Druck die beiden Kosovo-Albaner ausgesetzt sind.

Die Gesellschaft und ihre Vergangenheit ist das nächste Schlüsselwort. Denn damit ist die Geschichte von THE MARRIAGE eng verwoben. Seit einigen Jahren setzen sich osteuropäische Filmemacher nach dem Vorbild der sogenannten „Neuen Rumänischen Welle“, zunehmend mit Themen auseinander, die davor so sorgfältig totgeschwiegen wurden, dass sie nicht mehr zu existieren schienen. Auch die Regisseurin Blerta Zeqiri arbeitete bereits in vorherigen Filmen die Traumata ihres Landes auf.

THE MARRIAGE irritiert zunächst mit scheinbarer Leichtigkeit: Die Auseinandersetzung mit dem Kosovokrieg und den bestehenden gesellschaftlichen Dogmen ist durchzogen von versöhnlichen Szenen. Als Nol und Bekim zusammen Musik machen, oder Anita mit ihren Freundinnen rumblödelt, kommt man sich plötzlich vor wie in einer französischen Liebeskomödie. Das nimmt dem Film keinesfalls an inhaltlichem Gewicht, sondern zeigt das Leben von Menschen, die mit Beziehung und Vergangenheit kämpfen, sich aber auch über dumme Witze freuen, einen zu viel heben und dann ins Auto kotzen.

von Emeli Glaser

THE MARRIAGE läuft im Wettbewerb des 18. GoEast-Festivals in Wiesbaden.
Alle Termine finden Sie: Hier.