Manana sitzt im Klassenzimmer und spricht mit ihrer Schülerin. Im letzten Monat war das Mädchen so gut wie gar nicht in der Schule, weil sie sich von ihrem Ehemann scheiden ließ. Man muss konsequent „Nein“ sagen und dann auch dazu stehen. „Oder was meinen Sie dazu?“. Manana schaut schweigend auf den Tisch, steht langsam auf und stimmt dem Mädchen zu. Die Langsamkeit dieses Aufstehens symbolisiert zugleich auch das langsame Aufbrechen Mananas Schweigens und das Ausbrechen aus ihrem familiären Gefängniss.

Die Hauptfigur Manana, eine georgische Ehefrau und Mutter zweier erwachsener Kinder, lebt mit diesen, ihrem Mann und ihren Eltern unter einem Dach. Dort ist immer ziemlich viel los, aber Manana scheint gar nicht wirklich anwesend zu sein. Sie wirkt ermüdet von dem ständigen Spagat zwischen Sollen und Wollen. Während Manana wie betäubt aufräumt und sich von ihrer Mutter angiften lässt, allen einen Gefallen tun soll, und selbst keinerlei Anerkennung für ihre Arbeit von der Familie erfährt, ertönt im Hintergrund ein Lied aus dem Radio: eine glückliche Familie ist, wenn sich die Frau und Mutter für diese aufopfert.

So eine Strophe aus dem Lied, die gleichzeitig repräsentativ für das Leben vieler Frauen steht.

Manana hat schon lange beschlossen, ihre Familie zu verlassen und endlich ihr eigenes Leben zu führen. Als sie an ihrem Geburtstag keine Leute einladen möchte, wird sie einfach überhört, ihr Wunsch übergangen. Als sie ein Lied auf der Gitarre spielen und dazu singen soll und erneut Nein sagt, sitzt sie am Ende doch da und spielt etwas vor. Und so können wir uns wohl das Leben von Manana vorstellen. Sie steckt in einer Rolle fest, die sie gar nicht leben möchte, als eine aufopfernde Mutter und selbstverständlich allumsorgende Hausfrau.

Ihr Entschluss steht schon in den ersten Sekunden des Films fest, und die Worte ihrer Schülerin rüttelt sie zu diesem auf: Sie zieht aus und mietet sich eine eigene Wohnung. Das wird natürlich nur schwer von der Familie akzeptiert. Doch inwieweit kann sie frei sein trotz eigener Wohnung und aus den gewohnten Strukturen ausbrechen? Diesen Kampf führt Manana den ganzen Film durch.

Oh nein, nicht noch so eine feministische Kritik, könnte man meinen. Oh doch, genau das wird es, und genau darum geht es in dem georgischen Langspielfilm von Nana & Simon: um die Gefangenschaft der Frau in patriarchalen Strukturen innerhalb der Familie. Aber auch und vor allem um die Rolle der Frau und die einhergehenden Erwartungen und Zuschreibungen an diese.

Manana versucht sich diesen Strukturen zu entziehen. Immer wieder werden wir durch Szenen geführt, in denen Manana Nein sagt und sich letztendlich doch wieder überreden lässt, Dinge zu machen, die sie nicht möchte. Es ist ein Kampf, den sie kaum gewinnen kann, so sehr sie es auch möchte. Es ist eine permanente Selbstgeißelung. Ein „Nein“ wird einfach nicht akzeptiert, sie wird einfach überstimmt und gedrängt. Doch was kann sie tun, wenn die gesellschaftlichen Strukturen so verwoben sind, dass sie als einzige Frau selbstbestimmt ihr eigenes Leben führen möchte, und es ihr untersagt wird? Immer wieder aus den Situation rausgehend, immer wieder Nein sagend, so sehen wir die Hauptfigur beständig durch den Film laufen.

Wie viel Frau, Lehrerin, Musikerin und Freundin darf parallel zur Ehefrau und Mutter in Manana stecken? Wie viele unterschiedliche Rollen darf eine Frau generell haben?

Der Film behandelt ein altes Phänomen, das allerdings immer noch stark präsent in unserer Gesellschaft ist und mit dem sich Frauen auf der ganzen Welt immer wieder konfrontieren müssen. Stellt man sein eigenes Ich hinten an und wenn ja, wie viele Teile davon? Ist man gleich Rabenmutter, wenn man auf sich achtet und nicht komplett das ganze Leben für die Familie tagein tagaus lebt und sich somit aufgibt?

MY HAPPY FAMILIY bietet keine richtigen Antworten auf diese Fragen, zeigt uns aber, wie schwer der Versuch des Ausbrechens einer Frau ist, die mehr möchte im Leben, die ihr eigenes Leben wieder leben möchte.

Von Britta Rotsch

Gesehen beim 17. GoEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films  als Teil des Wettbewerbprogrammes.