Neben beeindruckenden Landschaften und einer ausgeprägten Mythologie, ist Island sicher auch für seine unverwechselbaren, leicht stämmig und immer etwas zu klein wirkenden Pferde bekannt. OF HORSES AND MEN des isländischen Regisseurs Benedikt Erlingsson setzt sich mit der eigentümlichen Beziehung der Isländer zu ihren Pferden auseinander – und zeigt dabei Verbindungen und Ähnlichkeiten zwischen Mensch und Tier.
Es ist ein überschaubares, in einem Tal gelegenes Dorf, indem Erlingsson mehrere, ineinander verwobene Geschichten spielen lässt. Die Knotenpunkte der Erzählungen bilden dabei Pferde: immer wieder kehren wir zu ihnen zurück, Nahaufnahmen geben uns ein Gefühl für ihre Beschaffenheit und Präsenz. OF HORSES AND MEN erzählt von Liebe, Eifersucht und persönlichen Fehden, aber eben auch von merkwürdigen Ereignissen, die fast gänzlich aus dem Rahmen einer Kausallogik zu fallen scheinen. Gerade in diesen Szenen, in denen sich der Film ganz dem Eigentümlichen und Absurden öffnet, funktioniert er am besten: So beispielsweise, wenn ein getrieben wirkender Mann ein Pferd stiehlt, mit diesem zu einem russischen Frachtschiff schwimmt, um dort der leicht irritierten Besatzung einige Flaschen unverdünnten Wodkas abzukaufen. Eine distanzierte Kamera und die Abwesenheit von Musik verleihen dem Geschehen etwas Entrücktes und Überraschendes: Als Zuschauer fragt man sich, wie die Szene ausgehen mag, welchen Sinn sie ergibt – und ob Sinnhaftigkeit überhaupt etwas ist, woran der Film interessiert ist.
Sein komödiantisches Potenzial schöpft der Film dabei aus einem Gefühl von Entrücktheit und Absurdität. In einem der zentralen Prozesse des Films kommt all dies zusammen: dem Reiten. Es wird viel geritten in OF HORSES AND MEN, und Erlingsson gelingt es, diesen Vorgang zwischen zwei Polen zu organisieren. Einerseits verleiht die besondere Aufmerksamkeit auf die Rhythmik der kraftvollen Bewegungen – bemerkenswert ist hierbei vor allem das Zusammenspiel von Hufenschlägen und Musik – dem Vorgang etwas Erhabenes und Anmutiges. Andererseits kommt es, durch die eigentümliche Statur der Pferde, immer wieder zu Momenten unweigerlicher Komik. Gerade der Tölt, eine spezifische Gangart der Islandpferde, betont die Proportionen der Tiere und je stolzer die Darsteller blicken, desto komischer scheint der Kontrast zu werden.
Diese Ironisierung der isländischen Kauzigkeit ist gerade dadurch überzeugend, dass sie sowohl eine kritische Außensicht als auch einen Blick auf das Selbstverständnis der Kultur Islands eröffnet. Vor allem durch die kontinuierliche Gleichsetzung von Mensch und Pferd wird eine kritische Position gegenüber dem menschlichen Zusammenleben offenbar: OF HORSES AND MEN beschreibt das Leben als von Gier, Missgunst, Triebhaftigkeit und Isolation geprägt. Der einzige, einigermaßen sympathische Charakter ist ein Tourist (Juan Camillo Roman Estrada), der so gar nicht an diesen Ort zu passen scheint – und übrigens gerade deswegen so unterhaltsam ist.
Immer wieder veranschaulicht der Film dabei das Verhältnis der Menschen zu einer scheinbar unerbittlichen Natur mit einer gewissen Drastik der Darstellung: Vor allem den Vorgängen des Sterbens und Überlebens wird in OF HORSES AND MEN ein besonderes Gewicht zuteil. In einer Szene gerät der bereits erwähnte Tourist aufgrund eines erschöpften Pferdes in einen Schneesturm. Um nicht zu erfrieren, sieht er sich letztlich dazu gezwungen, die Eingeweide des Tieres auszunehmen und im Körper des Tieres Zuflucht vor dem Sturm zu suchen. Die Szene wirkt dabei in einer eigenartigen Ambivalenz, sie ist gleichsam schön, grausam und komisch. Es bleibt dem Zuschauer dabei nicht anderes übrig, als zu Lachen – über die Sinnlosigkeit und Absurdität der Situation und wohl auch über die eigene Begrenztheit.
In einer der letzten Sequenzen gibt es dann fast schon eine Verdichtung des gesamten Films: Vor dem Wintereinbruch werden alle Pferde in einer kreisrunden Koppel zusammengeführt, um von ihren Besitzern in die jeweiligen Stallungen gebracht zu werden. Die Kamera zeigt Mensch und Tier gemeinsam in einem sich ständig bewegenden Kreis. Man begegnet sich, kommt aneinander und geht wieder auseinander. Ein beeindruckendes Bild für die spezielle Verzahnung von Mensch und Tier – und dafür, was OF HORSES AND MEN über das Leben auf Island zu sagen hat.