Ich bin geschockt. Und traurig. Muss erstmal ein bisschen durchatmen. Möchte darüber sprechen, diese Geschichte mit anderen teilen, darauf aufmerksam machen.
Eine Handkamera, zwei Frauen, eine vor der Kamera und eine dahinter. Die eine kann jederzeit gehen, die andere nicht. Sie ist eine Gefangene, eine Sklavin, die keine Identität mehr besitzt und kein Geld verdient. Selbst Essen ist ihr nicht vergönnt, die Reste der Familie kratzt sie von den Tellern. Marish, die eigentlich Edith heißt, sieht aus wie 70 obwohl sie eigentlich 53 ist. Ihr Gesicht ist von Furchen durchzogen, die letzten 10 Jahre als Sklavin haben sie rasant altern lassen.
Sklaverei, das gibt es doch nicht mehr. Gibt es doch, nicht nur in Ungarn, auch hier in Deutschland. Hätte ich nicht gedacht.
Obwohl Bernadett Tuza-Ritter einen Dokumentarfilm gedreht hat, sitze ich im Kino und fiebere mit. Habe die Hoffnung, dass Marish wegläuft, frei kommt und ein neues Leben anfängt. Als ihre Tochter ihr in die Arme fällt, muss ich schlucken, bin bewegt.
Im Anschluss an den Film erklärt die Regisseurin, dass sie eigentlich nur das Gesicht dieser Frau für einen Kurzfilm verwenden wollte, dieses besondere Gesicht, das so alt wirkt. Aus einem Besuch werden viele, aus einem Kurzfilm 89 Minuten, aus einer misshandelten Sklavin eine freie, glückliche Frau.
Trotzdem bin ich geschockt. Und traurig. Muss erstmal ein bisschen durchatmen. Möchte darüber sprechen, diese Geschichte mit anderen teilen, darauf aufmerksam machen.
von Tabea Wächtler
A WOMAN CAPTURED lief beim 18. GoEast Festival als Teil des offiziellen Wettbewerbs.