Fruchtbare Plantagen. Malerische Naturlandschaften. Leidenschaftliches Lebenswerk.

Im Mittelpunkt des Films Alcarràs von der Regisseurin Carla Simón steht die Familie Solé, die in einer kleinen Stadt in Spanien Pfirsiche kultiviert. Das ist die Hauptbeschäftigung und Einnahmequelle, der mehrere Generationen der Familie Solé ihr Leben gewidmet haben. Ausnahmen gibt es dabei nicht: die ganze Familie, von jung bis alt, ist in den Prozess eingebunden. Der Vater leitet den gesamten Prozess, der älteste Sohn ist für den Transport der Haupternte zuständig, und auch die jüngeren Geschwister sind voll eingebunden. Spielkrieg ist ein Spielkrieg, aber den Ältesten bei der Ernte zu helfen, ist Dienst nach Vorschrift. Doch die Ernte in diesem Jahr wird die letzte sein: eine fruchtbare Fläche soll abgeholzt werden, Grund dafür ist die Installation von Solarpanels. Dennoch beschloss die Familie Solé mit der Ernte fortzufahren. Auch wenn jedes Familienmitglied auf den ersten Blick weiterhin einen vertrauten Lebensstil führt, erlebt jeder auf seine Weise Veränderungen: Veränderungen, die eine unsichere Zukunft mit sich bringen.

Trotz der harten Realität versucht die Familie Solé freundschaftliche und herzliche Beziehungen untereinander aufrechtzuerhalten. Leider schaffen es nicht alle Familienmitglieder, die innere Ruhe zu bewahren und nicht den Emotionen zu erliegen, die in diesem Moment jeden von innen überwältigen: Angst vor dem Verlust von Lebensorientierungen und –zielen sowie die Ungewissheit der jüngeren Generation. Jedes Familienmitglied spürt trotz der Fortsetzung seiner gewohnten Lebensweise auf seine Weise die Spannung im Familienkreis, indem vor allem die Kinder sensibler auf das Geschehen reagieren.

Der Film durchdringt die ZuschauerInnen tief mit der Atmosphäre, die im Familienkreis herrscht: Empathie und Unterstützung, emotionale Abhängigkeit und auch Fürsorge. Der gut ausgewählten Besetzung gelang es, die dörfliche Welt sowie die Beherrschung von Technikern und Werkzeugen so gut wie möglich zu vermitteln. Bemerkenswert ist außerdem der deutliche Altersunterschied der Schauspieler und ihr gelungener Auftritt vor der Kamera, der die ZuschauerInnen keine Minute an dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Figuren zweifeln ließ. Liebe und Respekt für jedes Familienmitglied sind in gut geschriebenen Dialogen sowie in der ehrfürchtigen Haltung der Charaktere zueinander zu spüren.

Alcarràs erzählt die Geschichte der Hingabe an eine Lieblingsbeschäftigung. Eine Lieblingsbeschäftigung, die nicht nur eine Einkommensquelle, sondern ein Familienwert ist. Die Leidenschaft, die nicht dem Alter unterliegt, sondern die Familienmitglieder zusammenführt und stark verbindet. In der chinesischen Mythologie ist der Pfirsich die Frucht der Jugend und Unsterblichkeit. Die Frucht des Pfirsichs symbolisiert den kontinuierlichen Erneuerungsprozess des Lebens. So gelang es den Familienmitgliedern trotz familiärer Meinungsverschiedenheiten, die ihnen gestellte Herausforderung zu überwinden, herzliche Beziehungen aufrechtzuerhalten und einen würdigen Weg der Veränderung und des Neuanfangs einzuschlagen.

Polina Grechanikowa