Niemand bereiste, fotografierte und filmte so viele Vulkane wie das Ehepaar Katia und Maurice Krafft. Hunderte waren es im Laufe ihres Lebens. Ihr Material veröffentlichten sie in unzähligen Filmen und Büchern, und nach ihrem tragischen Tod im Jahre 1991 bei der Explosion des Vulkans Unzen in Japan hinterließen sie ein umfangreiches Archiv, auf das bereits mehrere Filme zurückgriffen, darunter Werner Herzogs von Netflix vertriebener “Into the Inferno”.

Ihrem Leben, aber auch ihrer Liebe widmet sich nun “Fire Of Love” von Sara Dosa, der bereits bei seiner Premiere auf dem Sundance Festival für Furore sorgte und nun zeitgleich beim Lichter Filmfest Frankfurt und dem DOK.fest München zu sehen war.

Blubbernde Lavaseen, gewaltige Eruptionen, sich in reißende rote Flüsse ergießender Lavaregen, kilometerweit in den Himmel aufsteigende Aschewolken – die hier gezeigten und geschickt montierten Aufnahmen sind atemberaubend, hypnotisierend, überwältigend. In außerweltlichen Hitzeschutzkostümen irgendwo zwischen Raumanzug und Ritterrüstung tanzen die beiden Vulkanolog:innen am Rande des Kraters. “No it’s not a new science-fiction movie you are watching”, bemerkt ein zeitgenössischer Fernsehkommentator – und dieser Kommentar ist tatsächlich notwendig. Die ersten Minuten lassen ein berauschendes Feel-Good-Movie erwarten, eine Doku wie einen Wes Anderson-Film!

Apropos Anderson: Es ist wohl kein Zufall, dass die Kraffts häufig mit roter Wollmütze zu sehen sind, sondern eine stylische Reminiszenz an den gleichsam unerschrockenen Meeresforscher und Dokumentarfilmer Jacques Cousteau, prominent zitiert – und da schließt sich der Kreis – in der Figur des Steve Zissou in „Die Tiefseetaucher“ von Wes Anderson.

Die Leichtigkeit des Films findet allerdings ein abruptes Ende, sobald die Erzählstimme von Multimediakünstlerin Miranda July in den Film eingreift. In elegischem Vortagsstil und mit betont brüchiger Stimme verleiht sie dem Film eine Ernsthaftigkeit, die in viel zu scharfem Kontrast zu den ersten Filmminuten steht. Der Text beschwört die Liebe als so ursprünglich und kraftvoll wie die Eruption eines Vulkans, kommt dabei allerdings weder in seiner Reflexion über Liebe im Allgemeinen noch in der Frage nach dem Spezifischen der Liebe von Katia und Maurice wirklich zum Punkt. Die Engführung der beiden Erzählstränge „Vulkane“ und „Liebe“ kommt über das Niveau der Titel-Metapher nicht hinaus.

Ein viel spannenderer Punkt wird indes nur kurz angeschnitten: Dass sich zumindest Maurice in erster Linie gar nicht als Wissenschaftler oder Dokumentarfilmer versteht. “I am not a filmmaker. I am a wandering volcanologist, forced into making films in order to wander.” Sorgsam gesetzte Sätze wie dieser sind sich ihrer Wirkung sehr bewusst.  Nicht nur ist Maurice ein Dokumentarfilmer, er ist einer, der immer auch am eigenen Mythos mitschreibt, wie stets zu beobachten, wenn er einmal vor statt hinter der Kamera zu sehen ist. Maurice ist ein Adrenalinjunkie, dessen größter Traum es ist, mit einem Kanu aus Titan und Aluminium 30 Kilometer einen Lavafluss hinunterzufahren. Und es ist völlig klar, dass er sich dabei filmen lassen hätte. Selten hat man das Gefühl, den Menschen Katia und Maurice wirklich nah zu kommen. Auch sie weiß, wenngleich in leiseren Tönen, sich zu inszenieren, weiß, dass der Vulkanausbruch selbst im Dokumentarfilm vom Naturschauspiel zum performativen Akt wird – zum Spektakel. Diese Reflexion hätte der Film gerne weiter zuspitzen können.

Umso gespannter darf man auf die zweiteilige Dokumentation von Werner Herzog warten, der sich nach “Into the Inferno” (der sich noch sehr allgemein mit Vulkanen beschäftigte) erneut das Material vorgenommen hat, und dessen neuer Film “The Fire Within: A Requiem for Katia and Maurice Krafft” demnächst auf Arte zu sehen sein wird. Es kommt nicht sehr oft vor, dass innerhalb kürzester Zeit gleich zwei Filmen derselbe Archivfundus zugrunde liegt. Vielleicht ein weiteres Indiz für die Qualität des Materials, dessen es aber schon nach dem Sehen von “Fire of Love” nicht mehr bedurft hätte.

Michel Nölle